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Thun - FCZ 2:4
23.05.2012Super League 2011/2012


Lieber Milaim

Leider war es mir nie vergönnt, wie Phipu mit dir im selben Team Fussball zu spielen. Und doch bist du auch mir bereits Mitte der Neunziger Jahre als aussergewöhnliches Fussballtalent aufgefallen. 1997 hast du erstmals im Thundress gespielt – es war die erste Thuner NLB-Saison seit Jahrzehnten, unsere velofahrende Trainerlegende hiess Andy Egli und unser Kultverteidiger war längst noch nicht Armand Deumi, sondern Didi Münstermann. Schon damals hattest du einen verblüffenden Ballriecher, konntest du sich abzeichnende Chancen lange im Voraus erahnen. Nur sind wir ehrlich: Einen Torriecher hattest du in jener Zeit nicht. In den ersten vier Jahren beim FCT hast du 2, 5, 8 bzw. 7 Saisonstore geschossen – und dir ungerechtfertigerweise den Ruf eingehandelt, ein «Stogglihung» zu sein.
Vielleicht besser, gab es in den Neunziger Jahren noch keine www.thunfans.ch-Seite, so kann ich behaupten, dass zumindest ich dich nie als «Stoggli» bezeichnet habe. Dafür wurde ich eine Art Hofchronist deiner Karriere. Zwischen Sommer 2000 und Sommer 2012 taucht dein Name in über 200 Spielberichten auf – meist verbunden mit einem Torerfolg. Wie schrieb ich doch damals im September 2000 über unser Auswärtsspiel in Genf: «Übrigens, Zanni spielt wieder mal nicht. Verstehe das, wer wolle. So muss das letzte Tor halt ein anderer Einwechselspieler schiessen - Freund Rama.» Ja, schon damals gegen Carouge warst du unser Edeljoker. Und eine Saison später unser Superstar. Wie steht doch in deinem deutschen Wikipedia-Beitrag: «In der Saison 2001/02 setzte er zu einem Höhenflug an und schoss unter dem neuen Trainer Hanspeter Latour 25 Tore in 35 Partien.» Dank dir stieg der Klub in die NLA auf, du selber hast dir einen Platz in der Nationalmannschaft und ein EM-Ticket nach Portugal erkämpft. Obwohl Köbi Kuhn einer derjenigen war, der dich selbst zu deinen Glanzzeiten für einen Stogglihung gehalten hast. Aber der Druck sei zu gross gewesen, dich bei der EM-Kader-Zusammenstellung zu übergehen, wie du mir einmal anvertraut hast. In Portugal hast du dann zwar nur fünf Minuten lang gespielt, dafür setzte man aber in Deutschland grosse Hoffnungen auf dich: «Później Rama przeszedł do FC Augsburg», wie es in deinem polnischen Wikipedia-Beitrag steht. Die sieben «Reprezentacja narodowa» sind selbstverständlich auch erwähnt.
Wenn wir dich heute mit einer übergrossen Nummer 9-Figur verabschieden, feiern wir aber gar nicht einfach jenen Rama, dem bis zur Vertragsunterzeichnung in Augsburg fussballerisch so viel glückte. Beeindruckt hast du uns auch als Mensch, als Vorzeige-Berner Oberländer, der stets Zeit für alle Fans hatte. Am Eindrücklichsten war das jeweils an den Cupspielen: Nicht nur in Allmendingen, sondern auch in Stabio oder in Perly haben die dortigen Kids jeweils dich nach dem Spiel umringt, wollten unbedingt mit dir sprechen. Und du hast immer Zeit für einen Schwatz gehabt, auch in jenen Saisons, die nicht mehr wunschgemäss für dich verliefen. Nach deiner Rückkehr 2006 warst du für viele wieder bloss der «Stogglihung», der Chancen um Chancen verpasste. Diesen Fussballexperten fiel halt nie auf, dass du auch in den letzten Jahren deiner Karriere die unmöglichsten Bälle erobert hast, für die all die Fussballbrasilianer wie Dudu oder Fabiano nicht einmal die Zehenspitzen bewegt hätten.
Mit 36 Jahren hast du heute deine letzte Partie gespielt. Ganz nach dem Motto «Man soll aufhören, wenn der Krach mit dem Verein am Grössten ist». Ich hoffe, dich hat das Abschiedsgeschenk des Vereins dennoch gefreut. Und unsere Choreo scheint dir ja gleich so gefallen zu haben, dass du die Nummer 9-Figur und das Spruchband bei dir daheim aufhängen willst. Kann man wirklich so fanatisch sein!? Aber wir haben alle gespürt, was heute im Spiel gegen den FCZ das grösste Geschenk für dich war: Nochmals in der Startelf stehen und 57 Minuten lang alles für den FCT geben zu dürfen. Und wie du nochmals gefightet hast. Ein letztes Mal leuchten im Liveticker Sätze auf wie «Milaim Rama setzt sich bei seiner Abschiedsvorstellung ein erstes Mal in Szene: Sein Schuss von der linken Seite kann Guatelli allerdings nicht beunruhigen» (in der zweiten Spielminute!) oder «Die erste Topchance in diesem Spiel: Rama kommt am Sechzehner alleine vor Guatelli frei zum Abschluss, der Italiener wehrt mit dem Fuss ab». Ja, dieser Guatelli. Irgendwie gut, haben die FCZ-Fans ihn (und uns Thuner) mit dem Spruchband «Da Costa – Eusi Nummer 1» gedisst. Verhindert es doch Guatelli tatsächlich, dass du Miliam in deinem letzten Match nochmals zum Torerfolg kommst. Es wäre dein 114.Treffer für den FC Thun gewesen. Wir jubeln dir trotzdem zu, als du nach 57 Minute Platz machen musst für die nächste Fussballgeneration. (BTW: Freiheit für alle Schlagzeuger, auch wenn Kevä in den letzten 15 Jahren auch viel zu häufig über dich gelästert hat). Und nach Abpfiff lassen wir dich nur deshalb nicht länger als eine halbe Stunde hochleben, weil du noch privat weiter feiern willst.
Die Tore schiessen in dem Spiel andere: Kukuruzovic (0:1), Marco Schneuxty (1:1), Zenuni (2:2) und vor allem Drmic (1:2, 2:3 und 2:4). Ob sich der gemeine Fan in 15 Jahren noch an diese Fussballer erinnern wird? Dich aber werden wir nie vergessen. Ich will mir ohnehin endlich mal wieder ein neues Rama-Dress sichern – auf ebay und Ricardo gibt es leider nicht mal alle Schaltjahre Orginaltrikots von dir zu ersteigern. Ein Rama-Leibchen gibt man halt nie, absolut nie wieder her – der Anbieter bei meinem Auktionsglückstreffer war damals denn auch der FC Thun. Sobald du einen neuen Arbeitsgeber im Fussballbusiness gefunden hast, werde ich dem direkt vor Ort selbst einen Rama-Traineranzug abkaufen. Zum Glück hast du mir zugesichert, dass dein nächster Arbeitsplatz nicht in China sein wird.

Milaim, ich wünsche dir von Herzen alles Gute und hoffe, dass sich unsere Wege bald wieder kreuzen.
Gruess Mattäng