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Thun - GC 0:0
21.04.2012Super League 2011/2012


«NO ID, NO ENTRY!» Die schöne moderne Überwachungsstaat-Fussballwelt breitet sich heute in Thun aus. Vor dem Sektor G, wo die vermeintlich gefährlichsten Fussballfans der Schweiz ihren Stehplatz haben, steht eine lange weisse Limousine. Der FC Thun will stillsicher nach dem Spiel Frauen in einen Nachtclub fahren. Ein feministisch angehauchter Fan, der gegen diese Oligarchen-Parodie protestiert und einen Ultrakleber aufs Auto klebt, wird für die nächste halbe Stunde zum Autopolier umfunktioniert. Dazu muss man wissen: Zugleich kleistert der Limousinenfahrer (er trägt einen Trainingsanzug) mehrere Nachtclub-Plakate aufs Auto.
Vis-à-vis der Limousine gibt Reto Blösch, Sprachrohr des FC Thun, dem Schweizer Fernsehen ein Interview. Vor Schildern wie «Eingang nur mit Ausweis» erklärt er voller Stolz, wie das schweizweit einmalige Kontrollsystem, bei dem Bronchos Pässe, ID, Ausländerpapiere und Führerscheine genauer unter die Lupe nehmen als die Eintrittstickets. Selbstverständlich unterstütze in Thun die Mehrheit der Fans diesen Test. Keine Rede ist im Interview davon, dass man die Stehplatzzone auch über eine Ausweichroute erreichen kann. Wer den Eingang H benutzt, muss seine Nationalität oder sein Autofahrvermögen nicht preis geben – und ist erst noch schneller im Stadion als die durchleuchteten G-Sektor-Benutzer.
Stellt sich die Frage, wie sich die paar wenigen Fanclubs, die sich mit der «NO ID, NO ENTRY!»-Mentalität nicht anfreunden können, während dem Spiel verhalten sollen. Schliesslich wird das Spruchband «Saison 2012/13 mit ID ohni üs…» aufgehängt und der Block Süd mit rot-weissem Absperrband abgesperrt. Die Zaunfahne «Block Süd» hängt derweil im Innenbereich des Stadions. Die Biertischchen werden zu «Arena»-Stehpulten umfunktioniert. Nach dem Motto «Niemand hat eine Absicht, eine Mauer zu errichten» versuchen uns die Arena-Verantwortlichen dazu zu bewegen, unseren Stimmungsboykott abzublasen. «Eine ID-Kontrolle ist doch besser als das Thuner Modelll Fancard, für die ich im Übrigen auch nicht bin. Bei Einführung einer Fancard werden dann ja Daten erfasst und man kann das Abo auch nicht mehr weiter geben», erklärt ein Arena-Angestellter, dessen Name ich zu seinem Schutz hier ausspare. Er verspricht: «Auf die nächste Saison hin wird in Thun weder eine ID-Kontrolle, noch ein Fanpass eingeführt».
Wollen wir es mal hoffen. Wir halten am Stimmungsboykott fest, der aber ohnehin nicht weiter auffällt, da die Aebikurve (nach ihrem Massstab) lauthals Stimmung macht und wieder einmal «ganz alte Liedchen» anstimmt. Dementsprechend ertönt alle fünf Minuten der schon legendäre Thuner «Use, Use»-Gesang. Auch in der zweiten Halbzeit, als einige Zuschauer das Absperrband teilweise niederreissen und den leer gebliebenen Stehkurventeil stürmen. Tolle Aktion, die nach tumultartigen Szenen von der Stadionsicherheit unterbunden wird.
Derweil versuchen die Schneuxtys übrigens (erfolglos) Tore zu schiessen, das Schiedsrichtertrio (erfolglos) die Abseitsregel zu lernen und Da Costa (erfolgreich) sein Tor rein zu behalten. So endet das Spiel 0:0. Fast könnte man meinen, auch der Torerfolg sei heute nur nach Vorweisen der ID erlaubt gewesen. So endet ein Spiel, an das wir uns wohl erst wieder erinnern, wenn ein «einmaliger» Nacktscanner- oder Intimkontrollentest in Thun durchgeführt werden wird. Viele der vermeintlich gefährlichsten Fussballfans der Schweiz werden auch bei diesen Tests wieder blindlings mitmachen.