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Luzern - Thun 3-3
04.05.2002Auf-/Abstiegsrunde 2001/2002


Fussball verrückt ist, wer sich einen Aufstiegsrundenbart wachsen lässt.
Fussball verrückt ist, wer in der Woche, in der das Lieblingsfussballteam aufsteigen könnte, Ferien nimmt, um wirklich voll abfeiern zu können.
Fussball verrückt ist, wer trotz strömendem Regen durch die halbe Schweiz reist, um dort in strömendem Regen ein hundsgewöhnliches Fussballspiel zu verfolgen.
Vor dem Match sind wir Thuner Fans schon bestens eingesungen und schon beinahe heiser. Allerdings ist vor dem Match schon fast während  dem Match, da wir bei Anpfiff erst vor dem Stadion ankommen und erst noch ein Billett brauchen. Doch zumindest Reto und ich haben Glück, da uns zwei äusserst schöne Mädels zwei Tickets anbieten. Dabei überraschen uns die Luzerner Schwarzmarktpreise sehr: Wir kriegen die Billets geschenkt. Einziger Haken: Die Stehplätze sind mitten im Luzerner Sektor. Aber eben, wir sind ja fussballverrückt und begeben uns in die Hölle des Luzerner Löwens. Und da bringt mich ein erster Blick auf die Anzeigetafel schon einmal voll aus dem Konzept. Da steht nämlich "Luzern 0 Gast 1". Mehrmals frage ich nach, ob das denn nach wenigen Sekunden schon wahr sein könnte. Die Antwort ist brutal: "Nai", "nai", "nai". Wir befinden uns also wieder mal in einem Stadion, wo die Matchuhr nicht richtig tickt. Umso schlechter fährt mir mein erster Blick aufs Spielfeld ein: ich sehe einen Luzerner Angriff, den Andreoli mit einem Tor abschliesst. 
Ist das schon so früh das Ende aler Thuner Aufstiegsträume?
Ich habe nun wirklich Angst, dass sich das junge, emotionale Luzerner Team in einen Spielrausch steigern könnte. So gratuliere ich dem Luzern Fan neben mir erst einmal zur Leistung seiner Mannschaft. Allerdings nicht zum Führungstreffer des FC Luzern, sondern zum Meistertitel der Borussia Dortmund, trägt er doch wie noch so mancher im Luzern Sektor einen Borussia Schal. In schlechten Zeiten identifiziert man sich halt rasch einmal mit anderen Teams.
Ich dagegen trage weiterhin meinen roten Thun-Schal und werde plötzlich ganz fiebrig, als Rama nach 15 Minuten einen Angriff stratet. Er trickst den weissen Luzerner Goalie aus, ja sollte Ike denn nicht ein klein bisschen dunkelhäutig aussehen, und schiesst den Ausgleich. 1-1, wieder scheint alles möglich.
Die Freude der Luzern-Fans am Spiel ist nicht mehr allzu gross, sie beginnen Anti Thun-Hymnen anzustimmen und werfen wir mehrere Sugus an den Kopf. Wobei, diesen Service finde ich gar nicht so schlecht, so werde ich jedenfalls bestens verpflegt.
Und fast kommtes noch schlimmer für Luzern, greifen doch die Thuner beherzt an und setzen zum 1-2 an. Doch da hat der Fähndlima längst ein Offside angezeigt. Doch die Thuner drücken trotzdem ab, da Schiedsrichter Salm schlicht nicht pfeift. Tor, 1-2. Doch nun herrscht Verwirrung. Die Diskussionen dauern lange, bis Salm schliesslich das Tor doch aberkennt. Es bleibt beim Unentschieden. Vorerst...
Nach etwas mehr als einer halben Stunde klingelt mein Handy. Sascha am Apparat, der vor gesundheitlich schwer angeschlagen vor Teletext und Radio den Aarau-Match mitverfolgt. Und er meldet doch tatsächlich ein 1-0 für den SR Délemont. Damit wäre der FC Thun endlich wieder über dem Strich.
Doch es kommt noch besser. Während sich Sascha verabschiedet, läuft ein gefährlicher Thuner Angriff ab. Heinz Moser ist am Ball und schiesst. Tor, 1-2!
Ein unglaublich tolles Spiel nimmt seinen Lauf, einzig mein Leben im Luzern Sektor ist nicht mehr so sicher. So verspreche ich auch ganz artig, während der Pause endlich in den richtigen Sektor zu wechseln. Doch vorerst bleibe ich auf der Vortribüne, wo ich mit anschauen muss, wie Luzern mal wieder zu einer guten Torchance kommt. Und in dieser Halbzeit so ganz ohne Verteidiger ist das Resultat bald mal klar: Arrue zielt und trifft. 2-2.
So sind wir in der Pause, in Delsberg steht es immer noch 1-0. Noch wäre Thun also über dem Strich. Das macht viel Freude im Thun Sektor, der trotz einmal mehr ausgefallenen Fanfahrt gar nicht mal schlecht besucht ist. Gemeinsam träumen wie bei Bier und Hamburger von einer goldenen NLA-Zukunft.
Die zweite Halbzeit beginnt jedoch mit einem ganz anderen Bild. Plötzlich ist das Spiel nicht mehr offen, plötzlich drücken die Luzerner aggeressiv aufs Thuner Tor. Luzern spielt überlegen, wir müssen um die Thuner Spieler bangen.
Und plötzlich ein Hilferuf von Sascha per Handy. Aarau hat gegen Délemont ausgeglichen. Dieses 1-1 beunruhigt uns sehr, wir Thuner finden uns unter dem Strich wieder.
Doch zumindest auf dem Luzerner Platz hellen sich unserer Aussichten wieder auf. Langsam, aber sicher finden die Thuner ins Spiel zurück.
Rama erhält wieder tolle Bälle und einen verwertet er so gleich eine Viertelstunde vor Schluss. Thun führt 2-3, halb im Wahn klettere ich den Zaun hoch und juble wie von Sinnen. So macht Fussball Spass.
Und dann rennt Oscar Echeverry aufs Tors zu, seine Abschussmöglichkeit ist bestens. Doch da kommt er zu Fall. Warum? Die Verwirrung ist gross, Salm gibt keinen Penalty, Salm zupft Karten, weil er eine Schwalbe gesehen haben will. Oscar, der lange am Boden liegen bleibt, sieht erst Gelb, dann Rot und plötzlich spielt Thun in Unterzahl. Wir stehen in der 80. Spielminute.
Thun schwankt nun, die Luzerner wittern ihre grosse Chance. Jede Sekunde wird zur Höllenqual, ich kann kaum mehr aufs Spielfeld sehen. Und dann beruhigt zumindest eine Meldung: Délemont hat gegen Aarau einen Penalty verwertet! 2-1 für Délemont, Thun liegt plötzlich ganze zwei Punkte über dem Strich.
Und der Aarau-Match ist bald einmal vorbei, nicht jedoch hier das Spiel. Die Beine der Thuner werden immer müder, jede Minute Nachspielzeit ist eine zuviel in unserern Augen. Wir zittern, wir beten, wir hoffen - in der 93. Spielminute schlägt Andreoli doch noch einmal zu. 3-3, ein Ausgleich, ein Schlussresultat, das irgendwie keinen der nur 1190 Zuschauer so richtig zufrieden stellt.
Und doch... mit Hopp Thun und Allez Délemont rufen ziehen wir durch Luzern. Denn vor dem historischen nächsten Dienstag ist die Ausgangslage klar: Der FC Thun kann den Aufstieg aus eigener Kraft schaffen.
Thun hat 18 Punkte und +0 Tordifferenz, Aaarau hat 18 Punkte und -1 Tordifferenz, Délemont hat 16 Punkte und -5 Tordifferenz. Ein eingermassen hoher Sieg gegen Winti sollte also unseren grossen Traum wahrmachen. Hoffentlich hat Gott ein Herz für Fussballverrückte.

Matthias Engel