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Stade Lausanne-Ouchy - Thun 0:5
17.09.2011Schweizer Cup 2011/2012


Endlich mal eine Fanreise, die in Münsingen startet. Jedenfalls für alle Münsinger. Denn bekanntlich ist von der Bahnmetropole Münsingen aus (fast) jedes Cupspielparadies direkt erreichbar. Die Topfussballer von Regionalfussballhochburgen wie Ausserberg, Erlenbach im Simmental oder vor allem Eifeld (ich bin überzeugt, Eifeld wäre DER Ferien- und Saufort) müssten sich einfach mal in den Arsch klemmen und sich für die erste Cuphauptrunde qualifizieren. So müssen wir trotz perfekter Fussballcuproute immerhin zweimal auf unserem Weg zum Fussballplatz umsteigen. Dabei schaffen wir aus Öv-Sicht schier Rekordverdächtiges: Obwohl die reine Fahrzeit ab Münsingen 6 Stunden und 31 Minuten beträgt, schaffen wir es, keine einzige Minuten in einem SBB-Vehikel zu fahren. Wir machen Bekanntschaft mit den öV-Spezialisten der BLS, der Montreux – Berner Oberland – Bahn (MOB) und der Compagnie Générale de Navigation sur le Lac Léman (CGN).
Dabei lernen wir: Mit den BLS-Zugbegleiterinnen verstehen wir uns besonders gut, erst recht wenn sie unsere Fahrroute zwecks Pendlerstatistik in ihr Compüterchen eintippen (das ist mir zuletzt auf meiner Reise Konolfingen-Luzern mit Endziel Shkodër passiert). Kleines Manko: Die BLS hat kein Verpflegungsangebot. Dabei schwinden unsere Vorräte an Wildfleisch (im doppelten Sinne ein Hochsitzgenuss, merci viu mau Phippu) und Weisswein schon vor Mittag. Bei den anderen beiden Transportunternehmen können wir uns zwar endlich an Bord mit Rosé und Bier stärken, dafür nerven uns die Uniformierten mit ihren strikten Dekorationsvorschriften. Warum sollte im MOB-Panorama-Wagen nicht eine Thun-Fahne am Fenster hängen dürfen? Draussen sieht man ohnehin nur ein Felswandidylle bei Regen und Nebel. Und warum sollte an der Schiffländte im Montreux nicht eine Thun-Fahne am Fenster hängen dürfen? Glauben die Touristen etwa, sich an den noch schöneren Thunersee verirrt zu haben, nur weil es plötzlich nicht mehr regnet? Immer sind es übrigens energische 60-Jährige Frauen, welche so krass auf ihre Deko achten. Auf dem Schiff sind wir Männer unter uns, die CGN-Matrosen haben kein Problem damit, dass wir die Schweizer Fahne am Heck mit der Thunfahne verschönern.
In Lausanne nehmen wir dann am Hafen angesichts der mittlerweilen milden Temperaturen noch eine Abkühlung. Wir springen nicht in den See, wohl aber in den Springbrunnen. Das Wasserspiel macht einen „Bern-Fan“ so aggressiv, dass er sich gleich mit ganzem Körpereinsatz drauf stürzt. Nasse Kleider sind die Folgen. Und weil wir beim Kleidertrocknen so viel Zeit verplempern, verpassen wir direkt den Anpiff auf dem in Hafennähe liegenden Fussballplatz. Dabei warten dort vor dem Juan-Antonio-Samaranch-Stadion längst eine gute Fee und ein ebenso guter Aargauer auf uns und übergeben uns im Namen des FC Thun eine Handvoll Gratiseintritte. Top-Service, merci viu mau.
Die Eingangskontrolle ist nett, aber gründlich. Weshalb ich mir nicht erklären kann, wie hier irgendein Thuner ein Nachwuchsfeuerwerksdings reinschmuggeln könnte. Beim Rauch, der später im Thun-Sektor aufsteigen wird, kann es sich nur um ein unerklärlichen Lausanner Wetterphänomen handelt. Oder vielleicht meldet sich ja das Orakel von Uschi zu Wort. Ihre Hilfe könnte ich schon beim Betreten des Juan-Antonio-Samaranch-Stadions brauchen: Da herrscht nämlich in der 4. Minute schon Dramatik pur, ein Spieler im schwarzen Dress steht zum Penalty bereit. Die Roten schauen schockiert zu. Und als der Ball im Netz zappelt, weiss ich noch nicht einmal, welches Team denn nun schon in Führung gegangen ist. Da aber unsere Jungs jubeln, atme ich durch. Es ist Lustrinelli, der zum 1:0 eingeschossen hat. Ein gemütlicher Cupnachmittag zeichnet sich ab. Dann allerdings haben auch Uschis Männer eine Torchance, weshalb ich von einem langjährigen Cupfahrer (er ist wohl das Orakel der Carfahrer) belehrt werde, dass der schwache FC Thun heute seine erste und letzte Cuppartie im Herbst 2011 spielen werde.
Die Prophezeiung erweist sich aber als haltlos. In der 34. Minute schiesst Demiri zum 2:0 ein. Ich sehe den satten Schuss ganz genau, stehe ich doch gerade hinter dem anderen Tor am Bierstand. Es handelt sich leider wirklich um einen Bierstand, die auch vorhandene Weinkarte ist mehr als Appetitanreger gedacht. Um Wein zu holen, müsste man schon rüber zur Haupttribüne. Das wäre rein sicherheitstechnisch erlaubt, aber unsere Kondition spielt an diesem Punkt nicht mehr mit. Das Catering funktioniert bei immerhin 100 durstigen und hungrigen Thunfans tiptop. Und wer mehr als 3 Bier gleichzeitig bestellt, muss gar nicht erst ein Bierkarton verlangen. Einer der tüchtigen Bierstandherren stellt sich gleich als Bierträger zur Verfügung und trägt die Getränke bis zur Thuner Kurve – die befindet sich in der Nähe der Mittellinie. Und als der grosse Senfbehälter leer ist, kümmern sich sogleich drei Herren gleichzeitig darauf, Thommy Nummer 2 zu öffnen. In Thun hätte man in der gleichen Situation in purer Verzweiflung den Stand geschlossen. Warum aber hat es trotz Top-Catering nur 500 Zuschauer im Stadion? Der schwache Zuschaueraufmarsch ist gemäss den Bier- und Senfexperten auf eine starke Konkurrenzveranstaltung zurückzuführen: Gleichzeitig spiele Malley LS gegen Délemont, eine Affiche, die hier am Genfersee mehr zu ziehen scheint. Und die dortigen Zuschauer sollen ihren Besuch nicht bereuen: Malley gewinnt nach einem spektakulären 3:3 im Penaltyschiessen mit 3:1.
Hier bei Uschi ist keine derartige Überraschung zu erwarten. In der 60. Minute schiesst Scheuxty nach einer wunderschönen Flanke zum 3:0 ein. Und in der 74. Minute legt sich Lezcano den Ball zu einem Freistoss zu recht, den er eiskalt versenkt. 4:0. Derweil macht sich wieder das geheimnisvolle Orakel von Uschi bemerkbar. Plötzlich zieht sich die halbe Kurve bis auf die Unterhosen aus. Ich weiss ja nicht, für eine Kandidatur bei Uschis Next Topmodel reicht eure Postur noch nicht. Freude hat aber unser Brunnentaucher, der jetzt auch keine falschen Hemmungen mehr haben muss und seine nasse Hose an die Stange bei der Spielfeldabgrenzung hängt. Wir sitzen dagegen wie einst im Lachen auf dem erhöhten Grashügel und geniessen angezogen(!) den lustigen Ausflug.
Schade einfach, dass sich das Orakel von Uschi noch ein weiteres Mal bemerkbar macht und Uschis Männer regelrecht benebelt. Erst sieht Goalie Castejeon in der 83. Minute wegen einer Tätlichkeit an Hediger die Rote Karte, dann fliegt Simao nach seinem zweiten harten Foul in der 89. Minute ebenfalls noch vom Platz. Da steht längst ein Verteidiger ins Uschis Tor. Einmal muss auch er sich bezwingen lassen, Wittwer entscheidet sich gegen eine Flanke und für den Direktschuss: 5:0.
Nach Abpfiff dürfen die Zuschauer leider nicht aufs Spielfeld, was die heimischen Fans aber wohl mehr schmerzt als uns. Dafür erhalten wir Besuch eines Stade-Lausanne-Ouchy-Verantwortlichen. Er hält uns zwei Kartonkisten hin, die voller Sandwichs sind. Wir dürfen uns bedienen und werden aufgefordert sämtliche Rucksäcke bis nach oben zu füllen. Schliesslich würden wir auf unserer langen Heimreise sicher Hunger bekommen. Ob er wohl befürchtet, wir würden uns erneut für eine sechseinhalbstündige Route entscheiden? Nein, so verrückt sind wir nicht, einige von uns fahren heute nur noch (mehr oder weniger direkt) nach Zürich. Trotzdem: Merci beaucoup!