Thunfans » Spielberichte » Super League 2010/2011 » Xamax - Thun
Xamax - Thun 1:4
11.05.2011Super League 2010/2011


Was für eine Zugroute: Bern – Kerzers – Ins – Tschetschenien. Dass Neuenburg mittlerweile wirklich Russenterritorium ist, zeigt allein schon die grosse Polizeipräsenz am Bahnhof. Werden etwa die Thuner gefürchtet? Nein, wird mir gesagt, eine Anti-Tschetschenien-Demo der Xamaxiens sei angekündigt. Als ersten und einzigen Xamax-Supporter am Bahnhof entdecke ich die legendäre Amelia. Aber sie durchquert das Bahnhofgelände zu schnell für mich. So bleibt für mich im Unklaren, ob es analog zur wundersamen Welt der Ameile auch eine wundersame Welt der Amelia gibt. Diese würde wohl einen Sieg von Xamax gegen Thun beinhalten. Na ja. darauf kann ich angesichts meiner eigenen Osteruopaträumen (Stichwort Europa League- statt Tschetschenen-Millionen) sehr wohl verzichten. So schlendere ich solo zum Stadion hinunter. Der Weg ist vom Bahnhof aus bestens mit orangen Hinweistafeln beschildert – sehr vorbildlich.
15 Minuten später stehe ich erstmals vor der neuen Maladière. Während ich die alte Xamax-Spielstätte selbst bei widerlichsten Bedingungen wie dickem Nebel und dicken Oben-Ohne-Stripper besucht habe, habe ich alle bisherigen Thuner Spiele in der neuen Maladière verpasst. Heute gönne ich mir für einmal diesen 30 Franken-Luxus. Der Eintrittspreis schmerzt umso mehr, da heute 7000 Tickets an Rot-Schwarz-Gekleidete verschenkt worden sind. Aber den Thunfans wird kein Rabatt gewährt. Selbst denen nicht, die wegen falschen Sekretariatsauskünften in dem Glauben nach Neuenburg gereist sind, heute ein Gratisspiel sehen zu können. Einer von uns hat nicht mal 30 Franken im Portemonnaie und muss daher vor dem Ticketkauf erst eine Runde betteln.
Rund 300 Fans sind im Gästesektor. Darunter hat es auch einige Xamaxfans, welche die Gratistombola verpasst haben und nur noch widerwillig in unseren Reihen Platz gefunden haben. Offiziell ist dieser Match heute ausverkauft. Die Tschetschenen wird’s freuen.
Die erste Halbzeit ist hartumkämpft, Deutschschweizer wie Welschrussen haben gute Chancen. In meinem rot-weissen Rama-Trikot fiebere ich energisch mit. Und juble in der 18. Minute ein erstes Mal laut, als auf dem Feld ein Rot-Weisser zum 0:1 einschiesst: Es ist Rama! Wow! Weitere Thuner Angriffe folgen, doch ohne in zwingende Torchancen zu münden. Da sind die Xamax-Angriffe schon gefährlicher, doch Da Costa zeigt heute einmal mehr eine Bombenpartie.
Während das Spieltempo hoch ist, ist die Geschwindigkeit der fünf Herren am Verpflegungsstand in der Pause äusserst langsam. Nur etwa alle drei Minuten wird ein Fan bedient, selbst die einfachsten Bestellungen wie «Hamburger», «Rivella» oder «Bière» - unsere Französischkenntnisse sind wirklich verblüffend – lösen hinter der Theke Chaos an. Einmal lässt einer sogar die Kasse mit dem (Schwarz-) Geld fallen. Wir stellen uns daher zwei Fragen: 1. Sind das schon die ersten unfähigen Tschetschenen? 2. Wie kann man bei solch langsamer Geschäftstätigkeit überhaupt Geld waschen?
Das Spiel hat bereits begonnen, als wir in die Gästekurve zurückkehren. Xamax drückt nun vehement auf den Ausgleich, zumal einerseits St. Gallen in Bellinzona in Führung liegt und andererseits sich Servette und Lausanne mit Kantersiegen zu Barrageanwärtern ballern. Doch hier in Neuenburg bleibt die welsche Freude aus. Im Gegenteil: Wir Thuner erleben schier unglaubliche Glücksmomente. Erst schiesst Taljevic in der 67. Minute zum 0:2 an, dann erhöht in der 69. Minute Andrist zum 0:3. Und als dann noch ein gewisser Salamand aus der U21 in der 83. Minute das 0:4 erzielt, ist die Thuner Euphorie perfekt. «Europa, wir kommen! Europa, wir kommen!». Thun erobert sich heute Abend tatsächlich den fünften Tabellenrang. Daran ändert der Ehrentreffer von Keller in der 90. Minute auch nichts.
Da ist also eine Welle mit den Spielern angebracht – und ein Uffta, bei der Da Costa mal wieder das Megaphon übernimmt. Auch Murat Yakin lässt sich lauthals feiern und setzt sich in seinem Anzug gar auf den Rasen. Wir hoffen für ihn, dass der Familienkrach bei Yakins heute Nacht nicht allzu gross ist. Schliesslich scheint Murat das Bruderduell gegen Hakan doch noch für sich zu entscheiden. Derweil fällt im Stadion noch ein Tor. Das Spiel FCZ-FCB wird plötzlich auf der grossen Stadionleinwand übertragen – wohl als Ablenkung für jene Xamaxfans, die sich in der Heimkurve ein Techtelmechtel mit der Security liefern wollen. Ob das Alex Frei-Tor auf die Beteiligten wirklich beruhigend wirkt?
Vor dem Stadion ist die Stimmung friedlich, einige Xamaxfans gratulieren uns gar zum Thuner Auftritt. Wir sind zudem positiv überrascht, dass am Parkautomaten nicht nur die ersten 30 Minuten gratis sind – das freut doch jeden Matchbesucher – sondern selbst eine zweistündige Parkdauer nur 1,50 Franken kostet. In St. Gallen haben wir kürzlich das Zehnfache bezahlt! Wenn das kein Grund ist, dass am Saisonende besser Ostschweizer statt Welschrussen den Gang in die NLB antreten. «Hurra, hurra, Tschetschenia!» Wir drücken dir die Daumen, Ameila!