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Luzern - Thun 0:1
20.04.2011Super League 2010/2011


Ein seltener Tag für einen Fast-Allesfahrer wie ich. Heute kann ich wieder mal ein neues Fussballstadion entdecken. In der Sportanlage Gersag des FC Emmenbrücke war ich noch nie, auch nicht als Münsingen-Supporter. Und die drei Duelle zwischen Luzern und Thun habe ich diese Saison alle verpasst. Womit ich eine Gemeinsamkeit mit Hakan Yakin habe, der fehlt sogar heute wieder. Wie hiess es doch kürzlich in einer Medienmitteilung des FC Luzern: «Der Captain leidet an Knieproblemen links». Aha.

Ich dagegen reise heute mit dem Zug nach Emmenbrücke Gersag. Von der Bahnhaltestelle aus sind es nur noch fünf Minuten zu Fuss bis zur Sportanlage – wird jedenfalls auf fcsginfo.ch behauptet. Glaube nie einem Güllener. Ich habe gut und gerne 10 Minuten bis zum «Stadion». Und dort gilt es erst einmal den richtigen Sektor zu finden. Eine entsprechende Hinweistafel entdecke ich jedenfalls nirgends. Die Security weiss aber Rat. Security Nummer 1 schickt mich zurück in Richtung Bahnhof, ich könne dann entlang des Sicherheitszauns zum Gästesektor gelangen. Vor diesem steht aber Security 2. Und dieser schickt mich geradewegs in die andere Richtung. «Am besten gehst du dort vorne in den Wald und dann links.» Bitte? Organisiert mittlerweile schon die Security die Feld-Wald-Wiesen-Spielchen?

Der Waldweg erweist sich aber als richtig, um 18.20 Uhr habe ich die Ehre, mich als erster Thuner dem Eingangsprozedere zu unterwerfen. Und unterwürfig fühle ich mich bei der fünfminütigen Kontrolle tatsächlich. Bei einer hawaiianischen Lomi-Lomi-Massage hatte ich einst nicht so viel Körperkontakt wie heute mit diesem Security. Aber immerhin: Die Schuhe muss ich nicht ausziehen. So bin ich noch so gut gestimmt, dass ich mich aufs Wagnis «Eichhof alkoholfrei» einlasse. «Es Bierimitat bitte!» bestelle ich. Worauf die liebe Frau hinter der Theke antwortet: «Heute ist aber alkoholfrei.» Gut zu wissen, dass Kennerinnen auch das Original-Eichhof nicht wirklich für ein Bier halten. Ich nehm dann also einen kräftigen Schluck – und melde mein Testergebnis sogleich per SMS dem daheim gebliebenen Thunfans.ch-Ghostwriter, der die bisherigen Luzern-Thun-Spielberichte verfasst hat: «Läck du mir, zhässlechste Bierimitat, wo i je ha gha.» Die Antwort kommt postwendend: «Äichhoof alkohoolfrei! Drfür gsehtme nüt.»

Tatsächlich sind die Sichtverhältnisse im Sektor bescheiden, ja schon fast lachen-mässig. Ob wir deshalb nur gerade 3 (drei!) Fans im Gästesektor sind, als die Speakerin über den Lautsprecher die Thunfans begrüsst. Aber da ist es ja auch erst 19.10 Uhr. So lassen wir uns halt von einem Security anquatschen (die sind heute wirklich sehr dubios!), der nicht verstehen kann, wie man anderthalb Stunden Anreise für so ein Spiel auf sich nehmen kann. «Ihr seht ja gar nichts!» Auf diesen Schreck hin kaufe ich mir noch ein zweites «Äichhoof alkohoolfrei!»

Einen FCL-Rap und eine FCL-Schnulze später kann das Spiel beginnen – vor rund 60 Thunern, 7000 Luzernern und 1 Busacca. Den nehmen wir aber in den Startminuten gar nicht wirklich war, sind wir so perplex, was sich auf dem Rasen sonst noch so abspielt. Da sind tatsächlich gelungene Pässe, Dribblings und Torchancen zu sehen, da beissen sich je 11 Mann (- 1 Proschwitz und -1 Ferreira) auf die Zähne. Das ist tatsächlich Fussball! In den ersten zehn Minuten sind mehr gute Szenen zu sehen als im ganzen Spiel gegen St. Gallen. So macht eine Auswärtsfahrt Spass. Entsprechend gut ist die Stimmung im Thunsektor.

Oder sind wir etwas gar anspruchslos geworden? Der Berichterstatter der FC Luzern-Homepage schreibt nämlich: «Nach einer lauen ersten Halbzeit mit praktisch keinen nennenswerten Szenen auf beiden Seiten begann der zweite Durchgang mit einem Paukenschlag…» Wobei ich diesen Cliffhanger erst einmal so hängen lasse, findet doch einer der Höhepunkte bereits in der Pause statt. Nein gemeint sind nicht die blaue-weissen Obi-Biber-Löwen, die FCL-Fahnen auf dem Platz herumtragen, sondern die Musikwahl. Mit einer ordentlichen Portion Ironie spielt die Speakerin nämlich die Oberland-Hymne «Heimweh» ein:
«Uni ha Heimweh nach de Bärge
Nach dä Schoggi und äm Wii
Nach de Wälder
Nach de Seeä
U nachem Schnee
Uni bi wit wäg vo deheime
Ire Stadt woni nid wet si… LUZÄRN!»
Dass der Refrain gleich dreimal mitgegröhlt werden kann, ist grosses Kino. Dass wir hier gar nicht in Luzern sind, ist Nebensache.

Aber eben, in der zweiten Halbzeit gibt’s gleich einen Stimmungsknick. «Schiedsrichter Massimo Busacca zeigte in der 48. Minute nach einer Intervention von Marc Schneider an Claudio Lustenberger auf den Elfmeterpunkt», heisst es auf der FCL-Seite. Hm, also wenn das eine Intervention war, dann eine von Busacca. Was der da wieder für ein Luftgebilde gesehen haben muss. Ausgerechnet unsere Ex Michelle, also Michel Renggli, setzt sich den Ball. Er tritt an – und sieht mit an, wie Da Costa an den Ball kommt und ihn an den Pfosten lenken kann. Der Abpraller löst dann regelrechtes Chaos im Thuner Strafraum aus, aber der Ball wird auch jetzt nicht über die Linie spediert. Wiiiiihuuuu!

Und es kommt noch besser. In der 51. Minute erkämpft sich Thun einen Freistoss. Obwohl weit vom Tor entfernt, kickt Lüthi den Ball an Mauer und Zibung («er het scho mänge düregla») vorbei ins Netz. 1:0. Wiiiiihuuuu!

Nun gilt es den Vorsprung zu halten, auf ein 17. Saisonunentschieden hat heute nun wirklich niemand Lust. Erst greift Thuner weiter beherzt an, dann sind sie ab der 70. Minute aber ordentlich unter Druck. Zum Glück zeigen die Innerschweizer eklatante Abwehrschwächen. Wie es vor allem unsere Ex Michelle schafft, direkt vor dem Tor den Ball über die Latte zu kicken, ist unverständlich. Gut für unsere Nerven, dass sich Thun dann in den Schlussminuten wieder in der gegnerischen Platzhälfte festsetzen kann.

So ist um 21.39 Uhr der 7. Saisonsieg Tatsache – 13 Minuten bevor mein Zug fährt, weshalb ich bereits während dem allgemeinen Jubel-Trubel das Stadion verlasse. Was für eine Stadionbilanz: 1 Stadionbesuch, 1 Sieg. Und ein 1 dummer Dialog im YB-Forum. So überlasse ich das Schlusswort den 1898-Cracks Groebli und Palo Alto.

Sagt der Groebli: «mir wär lieber, die dräcks thuner hätte verlore». Fragt der Palo Alto: «Thun-Komplex?» Antwortet der Groebli: «nee ich mag die kinderschänder einfach nicht,». Das Komma ist sicher wichtig für den Kontext… Eh nu, auch ich YB den FC Thun.