Thunfans » Spielberichte » Super League 2010/2011 » Sion - Thun
Sion - Thun 1:1
15.08.2010Super League 2010/2011


Wo trifft man sich nach einem nervenaufreibenden NLA-Spiel? Natürlich im Speisewagen. Dumm nur, wenn der zwar leer ist, aber man trotzdem keinen Platz erhält. Fünf der sechs Tische sind für den Streckenabschnitt Visp-Zürich reserviert (ja, aber wo sind sie denn, die Leut?!) und auf dem einzig wirklich verfügbaren Zweier-Tisch mahnt der Zettel: «Nur essen!» Da gehen wir halt ein Stockwerk weiter unten an die Stehbar. Hier haben wir die Wahl zwischen Erdinger und Heineken. Für mich ein Plus gegenüber dem Match (im Gästesektor gabs nur bleifrei), für meine Kumpel ein klares Minus (die fanden im Heimsektor ein wahres Alkohol-Eldorado vor). Wir prosten uns mit einem Weissbier zu und diskutieren nochmals den Match, bei dem sowohl Thun, als auch Sion die Tabellenführung hätten übernehmen können.
10‘400 Zuschauer sind im Stadion. Die Walliser witzeln, dass ihnen ein 7:0 oder ein 8:2-Sieg zum Spitzenplatz reichen würde. Die paar hundert angereisten Thunfans können da schon optimistischer sein. Ein einfacher Sieg mit einem Tor Vorsprung würde schon für Platz 1 genügen. Das Problem ist nur: Seit 1999 hat Thun in sechs Spielen im Tourbillion sechsmal verloren. Vielleicht beginnen deshalb die Red White Boys schon eine halbe Stunde vor Spielbeginn damit, lauthals Stimmung zu machen. Im Wallis muss man schliesslich immer dann singen, wenn ein Punktgewinn noch in Reichweite liegt. Die Kurve macht vor und nach Anpfiff gut mit. Nur unserem künftigen Stadtoberhaupt sei gesagt, dass die blosse Anwesenheit im Gästesektor noch nicht genügt, um auf ewig unsere Stimmen auf sicher zu haben. Da möchten wir schon zuerst mal 90-Minuten-Dauersupport sehen. Hans-Ueli von Allmen gibt auf Anfrage sicher gerne entsprechende Tipps.
Das Wetter ist heute nicht allzu gut im Wallis. Der Himmel ist bedeckt, es windet geradezu stürmisch. Bei der gewitzten Konfetti-Choreo der Sion-Fans windet es die Papierfetzen sogar bis zu uns hinüber. Was uns aber vor allem gefällt: Thun kann in Windrichtung angreifen. Und sie nutzen diesen leichten meteorlogischen Vorteil aus, um das Spiel in die Hand zu nehmen. Die Sion-Verteidiger wissen sich oftmals nur durch Fouls zu helfen. Die sieht Schiedsrichter Kever zwar, verzichtet allerdings vorderhand darauf, die Gelbe Karte zu zücken. Das nervt uns. Andererseits: Ein allzu gelbes Spiel kann auch nicht im Interesse der Thuner sein.
Wirklich im Stich lässt Kever die Thuner aber, als er in der 18. Minute ein Foul an Scarione nicht pfeift. Dabei war das doch eine penaltywürdige Szene! Aber diese Saison pfeifen halt die Schiedsrichter tendenziell gegen Thun… allerdings auch gegen Sion. Dass die Sion-Fans sich aber gleich mit mehreren Spruchbändern über die allgemeinen Schiedsrichterleistungen beschweren, ist peinlich. Zumal sie mit einem Spruchband den Völkermord im Zweiten Weltkrieg verharmlosen. „Le règime de vichy est de retour“ schreiben sie auf einem der Spruchbänder. Ja genau, vergleichen wir doch ungerechtfertigte Rote Karten mit dem Mord an Tausenden Juden. Übelste Choreo!
Aber zurück zum Spielgeschehen. Da stockt uns in der 25. Minute wegen Scarione schier der Atem. In bester Abschussposition könnte er schiessen. Aber nein, er dribbelt sich immer weiter durch den Strafraum. Dann endlich gibt er dem Ball einen Stoss. Der Ball rollt Richtung Pfosten, aber zu unserer Erleichterung an dessen Innenseite ins Tor hinein. 0:1. Und wir singen sogleich: «Die Nummer 1 der Schweiz sind wir, die Nummer 1…»
Und Thun greift weiter an. Nochmals eine Scarione-Chance, doch dieses Mal kann Sion-Goalie Vanins in extremis retten. Schade, denn nun stellt sich Sion immer besser auf Thun ein. Ab der 40. Minute sind die Walliser stärker, so dass wir den Pausenpfiff herbei sehnen.
In der Pause lese ich in einem pinkfarbigen Reclam-Buch. Nein, es handelt sich hierbei nicht um das Drehbuch des im wahrsten Sinne des Wortes schwulen YB-Films. Es aber auch nicht das Musiker-Standardwerk «Wie schreibe ich eine möglichst kitschige Stadionhymne.» Ich lerne schlicht für meine Prüfungen. Sonst hätte ich ja noch ein schlechtes Gewissen, mit einem 17-Franken-Ticket im Stadion zu stehen.
Nach der Pause ist Thun wieder leicht spielbestimmend. Doch das 2:0 will nicht fallen. Warum regen sich dann Challandes und Constantin so auf? Die fluchen und toben ja mehr als wir Fans. Ausser in der 71. Minute. Als Vanins Lüthi von den Beinen holt, bleiben die Sion-Proteste für einmal aus. Allen im Stadion ist klar: Das ist ein glasklarer Penalty. Und Thun bekommt ihn auch zugesprochen. Die Chance für Thun, sich definitiv den ersten Tabellenplatz zu sichern. Proschwitz tritt zum Duell gegen Vanins an. Er schiesst den Ball links unten in die Ecke… und sieht, wie Vanins den Ball noch vor der Linie stoppen kann. Schade, schade, schade…
Keine drei Minuten später jubelt Sion. Obradovic hat einen goldigen Pass auf Zambretta gespielt, der nur noch einzuschiessen braucht. 1:1. Und ab diesem Moment powert nur noch das Heimteam. Das toll eingespielte Walliser Mittelfeld leitet Angriff um Angriff ein, doch der starke Da Costa und die solide Thuner Verteidigung können jeden Ball abtöten. Und so zeichnet sich immer mehr ab, dass heute keines der beiden Teams die Tabellenspitze übernehmen wird. Es bleibt beim 1:1, womit sich Thun als Zweiter und Sion als Fünfter in die Tabelle einreiht.
Auf dem Weg zurück ins Bernbiet trauen weder meine Walliser Kollegen, noch ich gross den verpassten Siegeschancen nach. Das 1:1 ist ein gerechtes Resultat, sind wir uns einig. So holen wir noch ein paar Tüten Chips und Erdnüsse an unsere Bartheke und machen ganz spontan ein «Allem voran sind wir alle vor YB»-Stehapéro. «Santé» und bis bald beim nächsten Aufeinandertreffen.