Thunfans » Spielberichte » Super League 2010/2011 » Xamax - Thun
Xamax - Thun 2:3
25.07.2010Super League 2010/2011


Ein Mensch kann in seinem Leben wahrscheinlich selten von einem perfekten Tag reden. Ich meine nicht einfach gut, sondern perfekt, vom Aufwachen bis zum Schlafen legen. Der Sonntag, 25. Juli 2010 war tatsächlich einer davon. Die Arbeit bis am Mittag fühlte sich angenem an, obwohl ich etwas Angst hatte, das Spiel zu verpassen. Schliesslich kommt es oft zu unnötigen Überminuten, die dazu führen können, dass ich die Gondel ins Tal verpasse. Noch mehr Sorgen bereiten mir die Verkehrspartner mit den gelben Nummern, die mir tagtäglich die Freizeit rauben, indem sie mit 40 Km/h ausserorts vor mir hintuckern, ohne auch einen einzigen Gedanken daran zu verwenden, mich gütigerweise überholen zu lassen.
Es kam aber nicht so: Ich erwischte die Gondel; auf der Strasse fuhr vor mir ein Fribourger, die ja bekanntlicherweise lieber mal etwas elanvoller aufs Gaspedal treten, als unsere Freunde aus Holland. Evelyne war pünktlich und das Gleis haben wir auf Anhieb gefunden. Jetzt nur noch Janus in Thun abfangen, und es kann los gehen.
Im Regionalzug Bern - Neuchatel setzten wir uns zu einem jungen Thuner ins Abteil, der gerade das Buch "Staatsbankrott - Warum Länder pleite gehen" verschlang. Jan meinte noch, es gäbe selten Leute, die Bier trinken und gleichzeitig kluge Bücher lesen. Stimmt. Ich dachte für mich, dass ich auch mal so ein lehrreiches Buch lesen sollte, damit ich bei wirtschaftspolitischen Diskussionen auch mal ernsthaft mithalten kann. Aber ich verdrängte den Gedanken mit einem Bier. Besser gesagt mit einem Rugenbräu. Sogar das kleine Mädchen im Gang war uns geistig überlegen, und bevorzugte den lateinischen Namen "Lutetia" anstelle von "Paris". Aber soweit in den Westen wollten wir nicht, Neuchatel eignet sich auch gut für eine Lektion Französisch. Nachdem ich mein mit Bätzi aufgefülltes Capri-Soleil im Genitalbereich befestigte, gingen wir ins schöne Stadion. Wobei mein Plan nur halb so genial war, denn es gab weder Tee noch Kaffee, wo ich meinen Schnaps hineinschütten konnte. Also versuchte ich es mit einem alkoholfreiem Bier. Sowas Hässliches habe ich noch nie getrunken, selbst mit dem Bätzi war es pottgrässlich. Aber wer braucht bei so einem Spiel noch Alkohol?
Kaum hatte das Spiel begonnen, segelte unser Freund Varela schon ein erstes Mal durch den Strafraum. Bussacca pfiff - irgendwie zwar zu Recht, obwohl sich Bättig ja auch nicht in der Luft auflösen konnte. Schlimmer kann ein Start nicht sein: Penalty nach 3 Minuten, verursacht durch diese Naturkatastrophe Varela, den ihn auch noch gleich selber versenkte. 1-0.
Thuns Deffensive war nun etwas überfordert, und XamaX spielte stark auf. Es war Bi Goua Gohu, der uns zum Schweigen brachte. Das Tor war so schön herausgespielt und hätte besser nicht in die Ecke passen können, dass es einfach nichts zu diskutieren gab. Dies ist eine spezielle Art von Schmerz, die man nur im Sport kennt; die eigene Mannschaft kriegt ein schönes Tor. Manchmal ist aber auch das Gegenteil der Fall, z.B wenn Morello (nebst 2 freien Thunern) den Ball ins Netz köpft, und somit den Anschlusstreffer in der 27. Minute realisiert.
Die Part(y)ie ging jetzt erst richtig los. XamaX hatte Mühe, wieder ins Spiel der ersten zehn Minuten zurückzufinden, und Thun presste weiter nach vorne. Ein abgefälschter Schuss fiel Hediger vor die Füsse - PENG - lag der Ball via Pfosten im Netz. Was für ein Weitschuss, heiliges Kanonenrohr. Jan meinte noch, dieses Tor wäre schöner als Sex. Meine Freundin sah das natürlich anders.
Während sich ein Thunfan noch immer über seine 1 Franken 50 aufregte, die ihm beim Getränkestand unterschlagen wurden, gingen wir mit einem 2-2 und der Hoffnung auf einen Punkt in die Pause. Wow, es gibt Red Bull! Ist das nicht etwas gefährlich für uns verhaltensoriginellen Fussballfans? Wenigstens wurde es im Plastikbecher überreicht, so mussten wir uns nicht mit dem Gedanken plagen, welchem Spieler wir die Dose zwischen die Augen werfen wollen.
Der Schiri hatte das Spiel noch gar nicht richtig angepfiffen, als bereits ein XamaX-Spieler am Boden lag. Man müsste etwas recherchieren, aber das Foul wird sich bestimmt in den Top Tens der schnellsten Fouls nach einem Anpfiff befinden. Aber Übermut tut manchmal auch gut, die Thuner waren hauptsächlich im Ballbesitz und vergaben eine Chance nach der anderen. XamaX kam nur noch selten über die Mittellinie, und selbst wenn, standen die Thuner gut und liessen den Neuenburgern keinen Spielraum.
Nun sorgte unser neue Stürmer Prostschwitz (wird das unser lange ersehnlicher Knipser?) für Staunen auf den Ränger. Scheisse, was für ein Tor. Gefühlsvoll und trotzdem eiskalt, wurde der Torhüter im hohen Bogen erwischt. Nun herrschte in unserem Verhältnis regelrecht Nati-A Stimmung im Gästesektor. Der Auswärtssieg war schon bald perfekt. Im Gegensatz zum Spiel gegen YB wurde es keine Zitterpartie, da XamaX selten über das nötige Glück verfügt wie die Stadtberner in der letzten Sekunde noch den Ball reinzuwursteln. Selbst ein 3-3 wäre ein weiterer gefühlter Sieg, wobei wir nun 3 Punkte mehr als verdient haben. Bussacca pfiff ab und wir feierten den ersten Auswärtssieg in der Nati-A. Abgesehen von den ersten 10 Minuten konnte Murat, angezogen wie ein Kellner, mit seinen Jungs zufrieden sein.
Draussen ums Stadion war es wie üblich friedlich in Neuchatel. Ein Neuenburger erklärte uns sogar noch den Weg zum Bahnhof, obwohl wir gar nicht danach gefragt hatten. Nach einer halben Stunde Seeluftschnuppern machten wir uns auf den Weg nach Hause. Ein älterer Herr lächelte uns noch sympathisch zu, während sein Hündchen wonnevoll an eine Hauswand urinierte. Das Herrchen war Gérard Castella.