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Le Mont - Thun 2:4
17.03.2010Challenge League 2009/2010


Lausanne wird langsam zur Sportstadt. Nicht etwa das ein paar Hockey-Erfolge des HC Lausanne die ganze Bevölkerung in Freudentaummel versetzen würden - so was schafft in der Westschweiz nur Fribourg-Gottéron - aber am Bahnhof gibts nun doch tatsächlich einen direkten Bus Richung Pontaise. Vorbei das mühsame Umsteigen unterwegs, nie mehr eien Bergtour ab der Haltestelle Caserne. Nur wissen die Thunfans die neue Routenführung der Sightseeing-Linie 1 noch nicht wirklich zu schätzen. Deumi-Fan macht lieber Bus-Hopping und diskutiert in mehreren Bussen mit Chauffeuren und Passagieren, ob es Atlantis bzw. die Pontaise wirklich noch gibt. Und Schizo läuft freiwillig vom Bahnhof zum Stadion. Womit der Beweis erbracht ist, dass sechs Wochen ohne Tropfen Alkohol definitiv der Gesundheit schaden. So fahre ich halt alleine im Bus Nummer 1 - andere Zugfahrer haben ihre Anreise so getimt, dass sie gleich mehrere Tore verpassen. Aber davon später.
Rund ums Stadion deutet nichts auf ein Spiel hin. In der Stadionbeiz staunen die Heimischen, dass überhaupt ein Spiel angesetzt ist. Die einzigen aufgeweckten Typen im Ultra-Alter sind auch nicht wirklich fussballinteressiert - auf ihren Kaputzenpullis steht "Antifa Lausanne".
An der Kasse proiftiere ich mal wieder vom Studentenrabatt - das ist der Unterschied zwischen den teuren Le Mont- und den teuren Lausanne-Sport-Eintrittspreisen. Der Dialog zeugt von Völkerbindung. "Une fois place étuidant". "Für 15 oder 20 Franken?" "Hein?" Man kann als Thunfan heute zwischen guten Plätzen auf der Haupttribüne und sehr guten Plätzen auf der Haupttribüne wählen. Der Rest des Stadion ist nämlich geschlossen - so was gibts sonst nur bei diesem Provinzverein namens Servette.
Punkt 19.45 Uhr marschieren wir uns Stadion. Abgetastet werden wir nicht, den grossen Rucksack an meinem Rücken interessiert niemanden. Juhu, so bleibt mir endlich mal mein Cola-Wässerchen für den Heimweg erhalten. Ob die Le Mont-Verantwortlichen denken, dass bei den billigen Weisswein-Preisen sowie niemand Bierdosen ins Stadion schmuggeln will? Wahrscheinlich wollen sie aber einfach nicht auch noch die letzten paar Zuschauer, die überhaupt noch eine Spiel kommen, durch Kontrollschikanen vergraulen. Gut gezählte 150 Zuschauer (offizielle Zuschauerzahl!) sind im Stadion, 50 davon sind Thuner. "Heimspiel in Lausanne, wir singen Heimspiel in Lausanne!" Heute stimmts irgendwie.
Ausser auf dem Feld. Nach ein paar guten Szenen der Thuner hat Le Mont nach einer Viertelstunde eine starke Druckphase. Stulz mag über 350 Minuten ohne Gegnentor sein, aber hier benötigt er gleich mehrere Portionen Glück, um nicht bezwungen zu werden. Ja will Thun denn schon wieder gegen Le Mont verlieren?
Zum Glück scheint der Le Mont-Verteidiger Frank Yerly Toggenburger Wurzeln zu haben. Bei einem Angriff der Thuner setzt er im Strafraum zu einem Schwingergriff an. Er gewinnt zwar den Kampf - der Thuner bleibt auf dem Rücken liegen - verliert aber die Sympathien seiner Mitspieler. Denn für den Schwung gibts die Gelbe Karte und Penalty. Scarione läuft an und schiesst den Ball links hoch ins Netz 1:0.
21 Minuten sind gespielt. Thun steht vor dem nächsten Sieg und Stulz vor der 400. Minute ohne Gegentor. Doch während viele von uns SMS an die Daheimgebliebenen tippen, landet ein harmloser Rückpass von Schindelholz im eigenen Tor. 1:1. Gut haben die meisten von uns nicht richtig zugeschaut.
Auch das nächste Tor sehen wieder nicht alle, da gerade ein Zugfahrergrüppchen im Stadion eintrifft. "Wie gehts?" "Wow, neue Frisur!" "Hey, ich will endlich wieder mal Que sera singen!" Scarione schiesst derweil sein zweites Tor. Schöner Kopfballtreffer. 2:1 nach 27 Minuten.
Doch wetten, dass gleich wieder ein Chaos in der Thuner Verteidigung herrscht?! Dieses Mal lässt sich Stulz von Reinmann überrumpeln. Ein zweites Eigentor wirds zwar nicht, aber Idrizi kann ins leere Tor zum 2:2 einschiessen.
Wenig später werden die paar Le Mont-Leute im Stadion laut. Ein Thunspieler macht ein Hands im Strafraum. Für den gut pfeifenden Schiedsrichter ists kein Penalty. Ich bin auch dieser Meinung. Der Ball wurde ihm aus 1 Meter Entfernung an die Hand gespielt. Und die befand sich auf Hüfthöhe. Soll mir keiner sagen, es sei keine natürliche Bewegung, wenn da die Hand zuckt. Trotzdem nervts natürlich, dass Thun jetzt sogar in Gefahr ist, in Rückstand zu geraten.
Etwas verärgert über die Nonchalance der Thuner wende ich mich einem Artikel in der Le monde diplomatique über die geopolitischen Strategien Australiens zu. Ungefähr zwischen der Unterzeichnung des Kioto-Protokolls und der Enthüllung, dass der australische Premierminister fliessend Mandarin spricht, kickt Scarione den Ball zu Dudu. Der erzielt das 3:2. Da sind 53 Minuten gespielt.
Überhaupt ist Scarione der Star des Tages. In der 64. Minute überrennt er gleich die ganze Le Mont-Verteidigung und schiesst zum 4:2 ein.
Leider hat Thun auch einen Depp des Tages: Schindelholz. Der leistet sich in 79. Minute einen dummen Aussetzer. Ob die Gelbe Karte nun wegen Foul oder Reklamieren gibt, ist zweitrangig. Jedenfalls ist es die Zweite: Gelb-Rot, Thun ist nun definitiv durch Schindelholz geschwächt.
Der Sieg ist dennoch nicht mehr gefährdet, in den Schlussminuten ist Thun trotz Unterzahl stärker. Für den letzten Farbtupfer sorgt Morganella in der 93. Minute. Die 21 von Le Mont sieht nach einem Foul auch noch völlig unnötig Gelb-Rot.
Nach dem Spiel werden wir an der Bushaltestelle von einem welschen Rentner angequatscht. Thun sei eine "belle equipe". Aber eigentlich will er darüber sprechen, was die Fussballfans auf der Pontaise heute wirklich bewegt. Lausanne-Sport hat in Winterthur gerade eben 2:5 verloren. Ja, das sind wir natürlich auch "désolé". Bonne Soirée, Sportstadt Lausanne!