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Thun - Locarno 2:1
15.11.2008Challenge League 2008/2009


Mein Kollege ist verrückt: Der wettet tatsächlich auf Thunspiele. Ja, er setzt gar auf den FC Thun. Seine Argumentation: Für ein Topteam wie den FCT ist doch ein Heimspiel gegen den Zweitletzten ein Spaziergang. Nun ja, in einem Punkt mag er recht haben: Die Spieler bewegen sich heute auf dem Rasen tatsächlich wieder einmal wie auf einem Spaziergang. Aber das Spiel haben sie trotzdem (oder besser: gerade deswegen!) überhaupt nicht im Griff.
Vielleicht ist aber gar nicht mein Kollege verrückt, sondern ich. Er wettet zwar auf Thun, würde sich derzeit aber nie einen Match im Stadion ansehen. Er zieht Eishockey vor. Ich dagegen habe mich heute für das Spiel Thun - Locarno und gegen die Partie SCB - Gotteron entschieden. Lieber in einem halbleeren Stadion (2846 Zuschauer - Thun zählt definitiv nicht nur die anwesenden Zuschauer) bei einer Kehrauspartie frieren als in einem ausverkauften Hockeytempel bei einem Hitchcock-Spiel mitfiebern. Bin ich denn blöd?
Farbtupfer des Spiels ist die Choreo zu Spielbeginn. Die Kurve lebt also noch. Stimmung gemacht wird allerdings kaum. Das Verrückte: Nach lautstarkem Beginn stellen wir Fans nach einer halben Stunde das Singen ein - notabene bei einem Spielstand von 2:0. Dabei meint doch Kevin noch zu mir: "Hey, Thun liegt endlich wieder mal vorne." "Thun war auch in den letzten beiden Partien 2:0 vorne!" Was daraus wurde, wissen wir ja.
Entsprechend verhalten ist auch unser Torjubel bei den beiden Scarione-Treffern. In der 4. und in der 19. Minute kann er die Locarno-Abwehr (es ist die Schlechteste der Liga!) spielend leicht überlisten. "Eigentlich müsste Thun dieses Spiel 6:0 gewinnen" analysieren wir folgerichtig. Doch die Thuner stellen statt dessen ihre Angriffsbemühungen ein. Und so kommt es, dass trotz 2:0-Führung vor der Halbzeit die Handvoll mitgereister Locarno-Fans mehr Stimmung macht als wir Thuner.
Eigentlich möchte ich eine Zweite Halbzeit-Zensur einrichten, das heisst, künftig auf dieser Seite die Geschehnisse der Spielminuten 46 bis 90+ verschweigen. Aber heute möchte ich die Euphorie meines wettenden Kollegen mitteilen, der mich etwa in der 60. Minute anruft: "Thun führt? Cool, ich habe ja gewettet. Du, ich stehe vor dem Eishockeystadion und das Spiel ist ausverkauft. Du hast auch keine Idee, was ich tun kann..." Nein, ich bin nicht so boshaft, dass ich ihn nach Thun locken will. Auch meiner Kollegin mute ich derzeit kein Thunspiel zu. Sie meldet sich kurz vor der 90. Spielminute. "Mein Kollege hat mein Hockeyticket verloren, ich komme nicht ins Stadion. Und du, bist du noch in Thun?" "Genau. Thun führt 2:0."
Ja, es steht tatsächlich immer noch 2:0. Und doch würde heute (k)ein Hockeymatch doch mehr Spass machen als dieses Fussballspiel. Höhepunkt der zweiten Halbzeit ist das Offside-Tor der Tessiner. Und ab und zu rufen wir unserem "Busenfreund" Fäbu Stoller etwas zu, der 90 Minuten lang im hellblauen Pyjama spielen darf.
Immerhin wird die Stimmung in den Schlussminuten richtig toll. Es handelt sich um eine typische "Wir haben kalt und uns ist alles scheissegal"-Euphorie. Das Gleiche denkt sich Gerber in der Nachspielzeit. Klar: Locarno-Spieler Senger hat Bettoni clever ausgetrickst. Aber dieser Schuss aufs leere Tor ist nun wirklich lächerlich. Der Ball rollt mit einem solchen Schneckentempo auf die Torlinie zu, dass nicht auszuschliessen ist, dass er von selber stoppt. Gerber denkt aber ebenso wenig wie seine Verteidigerkollegen (Thun hat die drittschechteste Verteidigung der Liga!) , sich gegen das Tor zu wehren. 2:1.
Thun gewinnt - womit mein Kollege seine Wette gewonnen hat und ich schon wieder 90 Minuten meines Lebens vergeudet habe. Immerhin zeigt sich, dass ich der wahre Verrückte von uns beiden bin: Unmittelbar nach dem Match kaufe ich mir ein Ticket für das Spiel Thun - Basel. Auf ein Neues!

P.S. Später am Abend melden sich Hockeykollegen bei mir, die den Sieg von Gotteron gegen den SCB live im Stadion gesehen haben. "Und, was hast du heute gemacht?"