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Thun - Xamax 2:1
12.04.2008Super League 2007/2008


Neue alte Fussballwelt. Eine Stunde vor Matchbeginn hat es so wenige Zuschauer im Stadion, dass jeder Fan mit Handschlag begrüsst werden könnte. Einige machen das denn auch. Der Medienverantwortliche verteilt ein paar Matchblätter – wer weiss, vielleicht vermag ja allein die Tatsache, dass der neue Verteidiger Luis Calapes in der Startaufstellung steht, die Fans heiss zu machen. Ein gesperrter Spieler schwatzt ein paar Minuten mit uns in der Kurve. Und schliesslich mischt sich gar ein eleganter Herr in edlem Anzug unter die Fans. Ist es der neue Investor? Der neue Präsident? Nein, „nur“ eine Fussballlegende: Armand Deumi gibt sich zu erkennen und wird bejubelt. Nutzt er doch tatsächlich seine sperrungsbedingte Spielpause in der türkischen Meisterschaft für einen Besuch im Thuner Lachenstadion. Wenn wir doch bloss die heutige Stammelf so umjubeln könnten wie Deumi. Ein offener Brief von uns Fans ans Team zeigt im Matchmagazin jedenfalls die Unzufriedenheit der Fankurve. Und auch die Choreo zeigt, was wir Fans von den gut bezahlten Fussballspielern verlangen: „101% Kampf & Leidenschaft: Das seid ihr uns schuldig“. Manch einer staunt da. Hey, das Fanprojekt hat endlich den Unterschied zwischen den Wörtern „seid“ und „seit“ begriffen.
Bei Spielbeginn ist das Stadion immer noch halb leer. 3350 Fans haben sich im Lachen verloren – im wahrsten Sinne des Wortes. Denn bis auf einen guten Schuss der Thuner lässt in der ersten Halbzeit keine Szene auf den ersten Heimsieg seit August 2007 hoffen. Xamax spielt vielleicht nicht besser, aber die verunsicherte Thuner Abwehr lässt bei jedem Neuenburger Angriff das Schlimmste befürchten. Wenigstens Bettoni ist in Topform, aber das Stellungsspiel der Verteidigung ist trotz einem engagiert spielenden Calapes schlecht.
Angesichts der Gewitterwolken stellt sich eigentlich nur eine Frage: Setzt der Regen vor oder nach dem 0:1 ein?
Die Frage klärt sich in der (trockenen) 20. Minute. Bei einem Xamax-Angriff herrscht erst Tohuwabohu. Nach dem anschliessenden Eckball Frust pur. Zum x-ten Mal hat sich Thun durch eine Standardsituation überraschen lassen. Während Merenda über das 0:1 jubelt, fragt sich so mancher Thunfan, ob die Abwehr von Standardsituationen eigentlich nicht zum Trainingsprogramm gehört. Zudem ist die Befürchtung gross, dass Thun nun wie immer nach dem ersten Gegentreffer wieder auseinander fällt. Dass das Spiel zur Pause nach wie vor 0:1 steht, ist angesichts der letzten Kanterniederlagen schon eine Erfolgsmeldung.
Während Röbi dem Spielverlauf trotzt und weiter an seinem 5:1-Resultattipp festhält, glaubt Rolf gar noch an den Ligaerhalt. Da mag zusätzlich St. Gallen gegen Titelanbeter YB 2:0 führen, ein richtiger Fan gibt auch bei zehn Punkten Rückstand auf den Barrageplatz nicht auf. Ob es am langjährigen Langnau-Fanleben liegt, dass Rolf so voller Optimismus ist?
Nach der Pause schöpfen dann auch Skeptiker wie ich Hoffnung. Die Thuner besinnen sich auf Taktikregel Nummer 28: „Schiesset flach, dr Zubi isch im Gou“: Eine schöne Flanke von Dosek auf Ferreira, ein flacher, platzierter Schuss und Thun gleicht in der 52. Minute aus. Saisontreffer Nummer 26 im 30. Spiel. Zum Vergleich: Beim FC Vaduz hat diese Saison allein Gaspar mehr Tore geschossen als der gesamte FC Thun. Da muss man ja direkt froh sein, dass in diesem Moment der Barrageplatz immer noch neun Punkte weit entfernt ist.
Doch da ereignet sich Überraschendes im Lachenstadion. Thun bestimmt plötzlich das Spiel und ist mehrheitlich im Ballbesitz. Xamax ist auf einmal verunsichert, scheint aus irgendeinem Grund in Thun den Angstgegner gefunden zu haben. Bleiben die Neuenburger etwa auch im vierten Aufeinandertreffen mit Thun in dieser Saison sieglos?
Immerhin sind auf der Trainerbank die Rollen verteilt: Während Clausen den Sieg will und deshalb in der 63. Minute gleich zwei Spieler auf einmal eingewechselt, scheint van Eck keine Zeit- und Erfolgssorgen zu haben. Als in der 77. Minute der dritte Xamaxwechsel erfolgt, denkt er nicht daran, auch gleich zu wechseln. Lieber verzögert er das Spiel mit zwei Wechseln in der 78. und in der 80. Minute. Ein 1:1 im Heimstadion muss schliesslich abgesichert werden.
In der 84. Minute ergibt sich nochmals eine grosse Chance fĂĽr Thun. Der Ball kommt zu Rama und dieser schiesst flach (natĂĽrlich!) an Zubi vorbei ins Tor: 2:1!!!
Die restlichen Spielminuten verlaufen verblüffend emotionslos. Zugegeben, Circhetta könnte Xamax mehr als bloss drei Gelbe Karten zeigen. Aber hey, wir haben schliesslich Integrationswoche, da verurteilt man nicht jede Tätlichkeit.
Schliesslich ist das Spiel zu Ende, Thun feiert tatsächlich den ersten Heimsieg seit August. Euphorie bricht deswegen aber noch lange nicht aus, der Rückstand auf den Barrageplatz beträgt sechs Runden vor Schluss weiterhin sieben Punkte. So sind die lautesten Fangesänge an diesem Abend denn auch nicht dem Team und schon gar nicht dem Trainerduo, sondern Armand Deumi gewidmet. „Armand Deumi, Armand Deumi….“