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YB - Thun 4:2
22.03.2008Super League 2007/2008


Das Stadionfernsehen in Bern haben wir ja schon immer gehasst. Selbst während den Champions League-Spielen – ja, damals als das Wankdorf ausverkauft war – war das Stade TV einfach nur peinlich. Wieso man Spiel für Spiel irgendwelche Zuschauer fragt, warum YB so geil ist und die Frage nicht mal als Fangfrage auflöst, werde ich nie begreifen. Abr das man heute tatsächlich 20 Minuten über den kleinen Janick alias Little Bieli berichtet, der einen „YB ist geil“-Song im Tonstudio aufnehmen durfte, ist jenseits der Verträglichkeit für Ohren, Magen und Verstand. Dieser Song wäre selbst dann noch Scheisse, wenn es eine Hymne auf den FC Thun wäre. Wahrscheinlich wollte man die Thunfans dafür bestrafen, dass sie wider Erwarten letzte Woche nicht am Züri West-Konzert inklusiv YB-Vorspiel waren und daher das Stadion überraschenderweise nicht ausverkauft war. Doch zum Glück hat YB gegen St. Gallen gewonnen, diesen Mittwoch gegen Luzern gewonnen und hat somit Meisterchancen. Grund genug, für 18\'000 Zuschauer, sich dieses Spiel sogar anzusehen. Fussballeuphorie, jetzt oder nie.
Wenden wir uns der Frage zu, wie kreativ die intellektuelle Ostkurve im Pädophilen-Dissing ist. Dazu muss man wissen, dass die YB-Fans von allen Fangruppen am längsten darauf warten mussten, endlich gegen die Thuner zu spielen und sich damit zum „Sex-Skandal“ äussern zu können. Bei Anpfiff sehen wir das Resultat monatelanger Tüftlerei. Es werden Spruchbänder mit den Namen der NLB-Städte hochgehalten – und ein grosses Spruchbänder: „Mütter, sperrt eure Töchter weg“. Wow, genial! Wortwitz à là Rudi Carell!
Unsere Reaktion ist Sprechgesang mit heftigen Worten – die Familie, die in der vordersten Reihe in unserer Fanecke sitzt, steht sofort empört auf. Sie halten YB-Schals in ihren Händen.
Das Spiel beginnt. Wir Fans sind überraschend zuversichtlich. Mag YB-Thun rein nüchtrn betrachtet kein Derby sein (die YB-Wissenschaftler haben diese Behauptung ja schon von vielen Jahren widerlegt), steckt im Duell zwischen YB und Thun sehr viel Überraschungspotenzial. So sind wir natürlich gespannt, welches Team nach zwei torlosen Nennen-wir-sie-Derbys in dieser Saison das erste Tor im Kantonsduell erzielt. Könnte es etwa ein Thuner sein? Es ist.. es ist... es ist... Milaim Rama! In der 4. Minute schiesst er über Wölfli hinweg wunderschön zum 0:1 ein. „Nie Schweizer Meister, ihr werdet nie Schweizer Meister...“
Es entwickelt sich eine lebhafte Partie. YB spielt durchaus gut, doch Thun hält gut mit. Statt die Bauermauer sehen wir heute Angriffsgeist, das Team weiss, dass im Abstiegskampf nur drei Punkte etwas bringen. Als in der 41. Minute Yakin einen Freistoss treten darf – das Foul kann man vertreten, aber der Ball wird anschliessend definitiv zu nahe beim Tor platziert – kommt YB zum Ausgleich. Ghezal ist der Torschütze.
Trotzdem, in der Pause sind wir trotz Ausgleich und leichtem Schneetreiben angesichts der guten Thuner Leistung zufrieden. Wenn da nicht bloss dieser Little Bieli-Song nicht wäre, der zum Einlaufen der beiden Mannschaften wieder minutenlang gespielt wird.
In der zweiten Halbzeit steht Thun phasenweise stark unter Druck. Doch immer wieder starten sie auch schöne Offensivaktionen. Ein besonders schöner Angriff bekommen wir in der YB-Viertelstunde zu sehen. Den ersten Schuss wehrt Wölfli zwar noch ab, doch der Abpraller wird von Scarione verwertet. Wir schreiben die 79. Minute. „YB-Viertelstund, YB-Viertelstund...“
Doch das ist längst noch nicht die Entscheidung. YB wirft nun alles nach vorne, sucht sein Glück auf weite Pässe und Distanzschüsse. Und ein solcher Schuss passt in der 85. Minute tatsächlich. Ghezal gleicht erneut aus.
Nun reagiert van Eck. In einer taktischen Glanzleistung, die ich ihm nie zugetraut hätte, nimmt er gleich einen Doppelwechsel vor. Zaki und Faye kommen für Rama und Burgmeier ins Spiel. Richtig so! Heute wird nicht plump auf Unentschieden gespielt, heute will Thun dieses Spiel gewinnen. Bravo van Eck!
Kommen wir auf das Schiedsrichtertrio zu sprechen. Für NLA-Verhältnisse wird verhältnismässig gut gepfiffen. Doch in der 85. Minute sind Studer, Zeder und Salerno klar vom Affen gebissen. Obwohl Frimpong klar im Abseits steht, zählt sein Schuss zum 3:2. Unglaublich.
Thun liegt erstmals im Rückstand – um so schlimmer, da die Siege von St. Gallen und Xamax zu diesem Zeitpunkt bereits feststehen. So sind es wieder sieben Punkte Rückstand auf den Barrageplatz. Sehr wahrscheinlich, dass wir den Little Bieli-Song künftig nur noch in unseren Albträumen hören werden, aber sicher nicht mehr live im Wankdorf. Und auch die letzte albtraumhafte Szene des Spiels werden wir live wohl nie mehr erleben müssen: Nach einem YB-Konter steht der für einmal ganz brave Varela (nur eine Gelbe Karte in 30 Minuten-Spielzeit!) alleine vor Bettoni. Varela trifft – 4:2.
Am Schluss des Abends dominiert trotz tragischem Ausgang längst nicht nur der Frust, sondern auch die Gewissheit, endlich mal wieder ein richtig tolles Fussballspiel gesehen zu haben. Die Mannschaft war heute super, van Eck hat als Trainer alles richtig gemacht – leider, leider reichte die Topleistung der Thuner heute gegen YB doch nicht für einen Sieg. Auf Wiedersehen am Sonntag!