Thunfans » Spielberichte » Super League 2007/2008 » Luzern - Thun
Luzern - Thun 1:2
08.12.2007Super League 2007/2008


Im Bus habe ich das erste Schlüsselerlebnis an diesem Wochenende. Gerade mal zu sechst unterwegs – andere Fans reisen lieber mit einem späteren Zug oder dem Car an – werden wir natürlich auch hier wieder als pädophil beschimpft. Jawohl, liebe Luzerner, gebt es uns, wir liegen ja sowieso bereits am Boden. Also macht uns so richtig fertig. Doch Bluesdog, gleichentags im Thunforum als primitiv beschimpft, steckt all die Beschimpfungen unter der Gürteillinie nicht einfach so ein. Er verteidigt uns Thuner, ja er erklärt unsere Situation. „Da haben zwei von unserer ersten Mannschaft also einen Fehler begangen. Sind wir Fans deswegen etwa alle pädophil? Haben wir solche Sprüche wirklich verdient?“ Respekt vor diesem Auftreten! Selbst die pöbelnden Luzerner müssen zugeben, dass Bluesdog so falsch nicht liegt. Bleibt abzuwarten, wie manches Jahr wir trotzdem noch von allen Gegnerfans beschimpft werden.
Wir sind also wieder in Luzern, 14 Tage nach dem Sieg im Cup. Wobei nicht jede Erinnerung an jenen Samstag positiv ist, besonders der Getränkeausschank gab uns damals sehr zu denken. Ein „alkoholfreies Luzern gegen Thun“, das darf es nie wieder geben. So frage ich denn auch am Eingang unseren Securityguru Käppeli wie es heute mit dem Alkoholausschank aussieht. Er strahlt übers ganze Gesicht, als ob er auf diese Frage geradezu gewartet hätte. Natürlich gebe es heute richtiges Bier, er habe sich für uns Fans eingesetzt. Heute könnten wir Spiel und Bier geniessen. Ich freue mich natürlich und gehe so schon eine Stunde vor Anpfiff ins Stadion statt noch kurz in der Beiz Halt zu machen. Und was erfahre ich im Stadion: Erneut wird kein Alkohol ausgeschenkt! Wird man als Thunfan jetzt eigentlich von den eigenen Securityverantwortlichen angelogen oder ist die Kommunikation zwischen Heimsecurity und Gäsetsecurity wirklich so himmeltraurig schlecht? Wir sind genervt.
Für das Spiel sind wir optimistisch. Zumal Rama endlich wieder spielt. Und wie! Nach acht Minuten hat er schon seine erste Chance. Ein Pass von Ferreira und Rama… TRIFFT! 1:0 für Thun.
Dabei spielt Luzern eigentlich stärker. Nicht, dass das Heimteam zu zwingenden Chancen kommen würde, doch es ist eindeutig mehr im Ballbesitz. Doch dann kommt Ba. Ein spontaner Distanzschuss und der Ball ist erneut drin. 2:0 nach 33 Minuten.
Nun ist der wichtige Sieg nah. Thun dominiert das Spiel. Gerade weil Luzern aufrücken muss, ergeben sich für die Thuner viele gute Torchancen. Besonders in der zweiten Halbzeit ist das 3:0, das 4:0, ja das 5:0 ein Muss. Doch was Aarau kann – die Demütigung eines direkten Gegners – kann Thun noch lange nicht. Die Luzerner – und damit meine ich Spieler wie Fans – geben das Spiel trotzdem schon früh auf. Nach der 80. Minute leert sich die FCL-Kurve erstaunlich schnell. Als ob die Luzerner durch die ständigen „Sforza raus!“-Rufe ermüdet wären.
Als Tchouga in der 91. Minute doch noch den Anschlusstreffer schiesst, kommt noch Spannung auf. Doch da nur eine Nachspielminute angezeigt worden ist, können die Thuner bald jubeln. Sieg in Luzern, drei wichtige Punkte. Besonders Rama ist sehr schloss auf den Dreier und sein Tor. Wie benommen steht er vor der Kurve und reisst immer wieder auf Herzhöhe an seinem Trikot. Er ist einer von uns. Was für René van Eck gilt – wir feiern ihn mit einem Spruchband auf holländisch – gilt für Rama schon lange. Und schon wetten die ersten Ramafans bereits wieder, dass der wohl legendärste Thuner der Neuzeit heuer 15 Tore schiessen wird. Ja Wunder gibt es immer wieder…

Am Sonntag sitzen wir im „Chäs“, im Hotel Emmental. Gemeinsamer Morgenbrunch. Die paar von uns, die tatsächlich in Thun stimmberechtigt sind und ganz starke Nerven haben, stimmen im letzten Moment noch in der Stadtbibliothek ab. Dann beginnt das grosse Warten. Hat der FC Thun eine Chance auf ein neues Stadion. Hat der FC Thun überhaupt eine Zukunft? Spätestens um 15.00 sollen wir Bescheid wissen, doch sind wir zuversichtlich, dass wir das Resultat schon eine Stunde vorher kennen. Doch die beruhigenden Informationen bleiben aus. Die Meldung von einem klaren Nein zur Fussgängerzone und einem positiven Trend bei der Stadionabstimmung können uns nicht beruhigen. Das lange Warten ist schlimmer als jeder Fussballkrimi. Um 15.00 bin ich an der Pressekonferenz im Rathaus, wobei die Behörden erst nur das Nein zur Fussgängerzone bekannt geben können. Immerhin Stadtpräsident von Allmen macht mir mit seiner Begrüssung Mut: "Was für ein tolles Wochenende. Erst der Sieg gestern und dann heute die Abstimmung..." Eine Viertelstunde später steht das Ergebnis endlich fest. 60 Prozent Ja zur Stadtratvariante, der Volksvorschlag ist klar abgelehnt. Während von draussen der laute Gesang jubelnder Thunfans in den Stadtratssaal dringt, schwärmt selbst die Stadtregierung. Wie meint doch von Allmen in seiner offiziellen Stellungsnahme: "Ein tolles Ergebnis. Thun ist im Hoch. Und nach zwei Siegen und einem gestohlenen Unentschieden ist in der Euphorie nun auch ein Sieg im Cup möglich."
Derweil wollen die Fans draussen nicht von den „Scheiss Paparazzi“ gefilmt werden, der Sexskandal hat zumindest bei ihnen Spuren hinterlassen. „Sind das betrunkene Fans, war denn heute ein Spiel?“ fragt ein Herr sofort Ursula Haller. Die winkt ab: „Ach, die Fans freuen sich doch nur.“ Und noch auf dem Rathausplatz wird ein Zuckerstock gezündet.
Für uns Fans steht fest: Dieses klare Ergebnis muss mit dem ersten Thun Süd-Stadionmarsch überhaupt gefeiert werden. Uns so marschieren wir vom Rathaus über den Bahnhof und den Homadshop (Biernachschub muss nun mal sein) zur Autobahnausfahrt Thun-Süd. Auf der Strasse, wie es sich gehört. Heute trauen wir uns selbst das Überqueren der 3M-Kreuzung zu Fuss zu. Längst haben wir da ein Rot-Weisses-Brett dabei, mit dem wir die Aufrichtete feiern wollen. Dass das Gelände recht matschig ist, kümmert uns nicht. Laut singend marschieren wir durchs Grün beziehungsweise durchs Braun. Dann ist es soweit: Wir stecken ein eigenes Fanprojekt-Profil ins Gelände. „Neues Stadion, neues Stadion, neues Stadion…“
Nicht direkt dabei, dafür um so glücklicher am Telefon ist Lydia. Sie schaut sich auf Bluewin TV den Match GC-FCZ an, der nächste Gegner müsse schliesslich genau beobachtet werden. Geradezu euphorisch erzählt sie: "Meinen 80. Geburtstag werde ich im neuen Stadion feiern." Das wird in zweieinhalb Jahren sein...
Wir haben auch Augen für das ach so tolle Naherholungsgebiet Thun-Süd. Auch wenn im Finsteren doch kein Biber grast, wie ich in meinem Übermut behaupte. Dafür machen wir Bekanntschaft mit dem Bächlein. Jeder von uns überspringt es wagemutig. Okay, fast jeder. Michu landet mitten im Matsch. Und ich nehme Anlauf und bremse plötzlich ab. Warum eigentlich nicht quer durch das Bächlein hindurch, auf dem eh viel Gras liegt. Meine Schuhe bleiben trocken, weshalb ich die erste Thun Süd-Überraschung für mich beanspruche.
Im Restaurant Kreuz lassen wir das ach so turbulente, aber um so glücklicher verlaufene Wochenende ausklingen. Unsere Stimmung ist so gut, dass Sanel beim Verlassen des Restaurants von Stammgästen gefragt wird, ob wir eigentlich von einer Guggemusig seien. Warum eigentlich nicht… „Thuner, Thuner, ab in den Süden, oh ist das schön, euch wieder zu sehn…“