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Aarau - Thun 5:0
01.11.2007Super League 2007/2008


Als Allesfahrer glaubt man oft, schon alles erlebt zu haben. Und doch wird man immer wieder neu überrascht. So heute auch im Brügglifeld, einer ansonsten so thunfreundlichen Stätte. Kurz vor halb Sieben sind wir beim Stadion, aber oha, jetzt öffnet erst das Kassenhäuschen, der Gästesektor ist noch zu. Dabei gilt doch die SFV-Anweisung der Türöffnung 90 Minuten vor Spielbeginn auch in Aarau. Auf dem Ticket ist jedenfalls von einer Türöffnung um 18:15 die Rede. Ob die Stadionsicherheit wohl noch auf den Kameramann wartet, der wie das letzte Mal die Gesichter aller Thunfans in Grossaufnahme filmen will?
Um 18:45 geht die Gittertüre endlich auf. Gründliche Eingangskontrolle ist angesagt, ich bin einer der ersten. Beim Schirm ein erstes Zögern den Securitys, doch der darf mit rein. Auch das Brillenetui mit der Sonnenbrille, von mir freundlich geöffnet, gilt nicht als Wurfgeschoss. Auch die Schnupfdose ist erlaubt, das ist ja in Zug leider anders. Doch dann die grosse Überraschung: Der sichere Herr nimmt meine drei Zeitungen heraus und will sie wegwerfen. „Zeitungen sind entflammbar, die dürfen nicht rein!“ Ich glaube an einen Scherz. Ich habe doch in den vergangenen zehn Jahren ich hunderte Fussball- und Eishockeyspiele besucht und hatte oft irgendwelche Zeitungen, Zeitschriften oder Bücher dabei, manchmal wenn ich von der Universität oder der Redaktion kam, war der ganze Rucksack damit gefüllt. Und wenn irgendeine Stadionsicherheit doch Angst vor einem Feuerchen hatte, suchte sie nach Pyros oder allenfalls ganz übertrieben nach Feuerzeugen, aber doch wirklich nie nach Papier. Und jetzt das: Berner Landbote, Berner Bär und Berner Rundschau - notabene ein Mittelland Zeitung-Kopfblatt und somit ein Produkt der FC Aarau-Sponsors Aargauer Zeitung – gelten in Aarau als zu beschlagnahmende Waffen. Da ich diese Zeitungen nun mal aus beruflichen (!) Gründen brauche, um fremde und eigene Berichte zwecks Recherche zu lesen, bitte ich die Securitys um Nachsicht. Doch sie bleiben hart. So kehre ich halt um, nehme beim Hinausgehen die Zeitungen und setze mich für die nächste Viertelstunde vors Stadion. Ein stummer, zeitungslesender Protest. Immerhin, obwohl ich als Zeitungs-Hooligan so verdächtig wirke, setzt sich der Thuner Fanverantwortliche für mich ein. Aber man glaubt es kaum: Selbst sein gutes Zureden nützt erst nichts, minutenlang muss er mit dem Sicherheitsteam diskutieren. Erst um 19:05 heisst es: Okay, dieser Thuner kann rein mit den Zeitungen. Geduldig lasse ich die Eingangskontrolle ein zweites Mal über mich ergehen. Erst als ich nach der Rucksackkontrolle ein drittes Mal abgetastet werden soll, murre ich kurz. Und tatsächlich: Endlich darf ich rein. In 35 Minuten vom Eingangstor zum Sektor – rekordverdächtig.

Aber nun zu etwas ganz anderem – zum Spiel! Ja, das sah ich heute also doch noch. Die Vorgabe war klar: Ein Sieg muss her. Oder wie FCA-Forum-User Kobi vor dem Spiel philosophiert hatte: „4 Siege wie gegen Schaffhausen und Thun steigt ab, wenn nicht, warscheindlich wir.“
Dementsprechend startet Thun auch ins Spiel – mit einer klaren Feldüberlegenheit. Nicht, dass die ersten Angriffe gefährlich wären, aber es sieht doch schön aus, auswärts mal häufiger als der Gegner im Ballbesitz zu sein. Dazu kommt eine Thuner Kurve, die mit 150 Fans gut gefüllt ist und gut gelaunt mitsingt. Das 1:1 gegen den FCZ hat gut getan, heute liegt im Brügglifeld mal wieder was drin. Schade nur, dass die Thuner Zuversicht nicht einmal zehn Minuten lang anhält.
Der erste Aarauer Angriff erfolgt in der 9. Minute – notabene ohne Thuner Gegenwehr. Gerber hier, Zahnd da – und Meter weit weg ganz allein Ianu mit freier Sicht aufs Tor. Ein nicht allzu schneller Weitschuss – normalerweise kein Problem für Bettoni – doch der greift daneben. 1:0. Der Anfang vom Ende.
Die Thuner Verteidigung fällt nun völlig auseinander. Besonders die rechte Seite ist miserabel eingestellt. Gerber verliert jedes Laufduell, wobei er die Aarauspieler scheinbar nicht einmal als Gegner erkennt. Lässt man sich wirklich so einfach überspielen? Ja! Und zwar mehrmals! Das zweite und dritte Tor der Aarau sind zwar schön herausgespielt, wären aber ohne Thuner Nicht-Leistung nie möglich. In der 19. Minute passt Ianu auf Rogerio, der zum 2:0 einschiesst. In der 24. Minute passt Menezes auf Rogerio, der sogleich auf 3:0 erhöht. Und beim 4:0 steht Ianu plötzlich alleine vor dem leeren Tor. Juhu, in so einer Situation würde gemäss Eigenaussage noch Röschu den Ball erfolgreich über die Torline schieben.
In der Starthalbstunde gibt es nur drei Thuner „Abwehrerfolge“ zu vermelden: Irgendwann zwischen dem 1:0 und 2:0 bringt Di Fabio Gügi zu Fall und erhält eine strenge Gelbe Karte. Nach dem 4:0 gewinnt ein Thuner Verteidiger endlich einen Zweikampf – es ist Rama, der hinten aushilft. Und in der 29. Minute lenkt Di Fabio den Ball mit der Hand ab und erhält eine strenge Gelbe Karte. Gelb-Rot. Das totale Fiasko!
Nun wird nicht mehr fröhlich gesungen in der Fankurve, sondern laut geflucht. Auch an van Ecks Können wird gezweifelt. Ich rufe in meinem ersten Frust sogar van Eck-Raus. Der unmittelbare Anlass: Wenn man als Trainer seine Mannschaft in so einem desolaten Zustand sieht, muss man doch handeln und spätestens nach dem 2:0 einen Verteidiger auswechseln und den Untergang stoppen. Aber nein, erst in der 32. Minute bringt man Faye für Ferreira. Obwohl noch eine ganze Stunde zu spielen ist, viel zu spät. An dieser Stelle hätte der Trainer eigentlich das Stadion verlassen können und bis zum Spielschluss FC Luzern-Fanpost beantworten können.
Ja, warum bleiben wir Thunfans eigentlich im Stadion? Ist es ewige Treue oder purer Masochismus? Während einige Fans wie ich den Rest der ersten Halbzeit am Telefon verbringen, um unseren Liebsten die Nachricht vom Elend mitzuteilen, steht die Kurve in der zweiten Halbzeit wieder kompakt im Sektor. Und in bester Galgenhumorstimmung stimmen wir auch noch einige Lieder an. „So ein Tag, so wunderschön wie heute, so ein Tag, der sollte nie vergehn…“
Und immerhin sehen wir die ganze zweite Halbzeit lang Iashvili über den Platz schlendern – faszinierend. Und auch ein wunderschönes Tor sehen wir – natürlich nicht von Iashvili! In der 57. Minute trifft Bastida zum 5:0. Nun gilt es für die Thuner nur noch, den Direktduell-Stadionrekord zu verteidigen, das legendäre 7:1 für Thun. Und tatsächlich: Das Unterfangen gelingt. Zugegeben, die Verteidigung steht weiterhin sehr schlecht und lässt sich unzählige Male ausspielen. Doch Bettoni wehrt manchen Schuss gekonnt ab. Es bleibt beim 5:0.
Und in der 87. Minute kann Benito nur mit grösster Mühe einen platzierten Schuss der Thuner abwehren. Es war die erste und einzige wirkliche Torchance unserer Thuner Jungs.
Schlusspfiff. Während van Eck lieber irgendwelche Aarauer umarmt und auch heute wieder nicht vor der Kurve erscheint - Peischl hatte wenigstens jeweils Mumm – kommen die Spieler vor die Kurve und holen die Pfiffe ab. Übrigens: Peischl wurde vor einigen Monaten nach einem Spiel in Aarau entlassen: nach einem 0:0. Aber stimmt, damals war die Thuner Krise ja viel grösser. Diese Saison hat ja bloss Aarau 10 seiner 21 Saisontore gegen Thun erzielt…