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Thun - Luzern 2:1
18.04.2007Super League 2006/2007


Meine Abstiegssorgen weichen heute vor dem Spiel ganz anderen Ängsten. Als ich eine Stunde von Spielbeginn am Bahnhof auf den Schnellzug will, rollt nur der Güterverkehr. Auf Gleis 1 dagegen ein Absperrband, Tücher auf dem Bahntrassee, einige Polizisten gehen herum – es hat sich wieder einmal eine Tragödie namens „Personenunfall“ ereignet. Anhand der Betroffenheit der verhinderten Zugpassagiere kann man feststellen, wer schon wie lange und überhaupt in Münsingen lebt. Zu oft erlebt man hier solche Tragödien, selbst die Schicksalskette (ist es überhaupt erlaubt, nach einem solchen „Unfall“ auf Auswirkungen hinzuweisen?“) „Personenunfall = verspätet im Fussballstadion“ habe ich schon miterlebt. Und so warte ich auf einen Zug, der nicht kommen wird. Dank der einmal mehr schlechten BLS-Informationspolitik (auch dies sei wieder einmal erwähnt), kommt erst nach einer Viertelstunde die Durchsage, dass der 18.45-Schnellzug ausfällt.
Ich treffe kurz vor halb Acht schliesslich mit der S-Bahn in Thun ein. Die Tragödie in Münsingen schon fast wieder vergessen, will ich noch alles versuchen, einigermassen pünktlich im Stadion zu sein. Mit dem Bus wären die Chancen wohl nicht allzu gross, doch zum Glück steht ja noch ein knapp fahrtaugliches Velo von mir am Bahnhof. Rasant fahre ich Richtung Lachen, was sich auch als schwieriger herausstellt als auch schon. Infolge der Künstlerbörse im Schadausaal irren selbst auf dem Veloweg Passanten herum, der Parkplatzsuchverkehr stoppt mich auch immer wieder. Und doch habe ich noch all Chancen, pünktlich im Stadion zu sein, als ich zum Eingang laufe. Mit meinem „Problem“ bin ich nicht allein, die Schlangen vor allen Kassen und Toren sind lang. Wer jetzt noch ein Billett braucht, wird die ersten fünf Minuten wohl verpassen. Und wir wissen doch seit dem Samstag, dass Thun derzeit frühe Tore schiesst. Ich selber stehe in der Kurve, als die Mannschaften rein marschieren. Und kann daher auch mitansehen, wie Rama in der 3. Minute den Ball in einem hohen Bogen Richtung verlassenes Luzern-Tor schiesst. 1:0.
Es entwickelt sich ein munteres Spiel, mit Thun als besserer Mannschaft. Das Team spielt gut, hat einige Chancen, doch bleibt es bei der knappen Führung. Luzern dagegen spielt ängstlich, stösst aber doch mehrere Male in die Thuner Platzhälfte vor. Und wenn sie schiessen, wird’s gefährlich. Teils ein hausgemachtes Problem. Die Thuner Verteidiger wirken teils sehr zögerlich, Bettoni hält kaum einen Ball im ersten Anlauf fest. Man muss befürchten, dass Luzern auch heute wieder spielend leicht zum Ausgleich kommen könnte. In der 37. Minute ist es tatsächlich so weit: Cantaluppi auf Bader, dieser am herumhüpfenden Bettoni vorbei – 1:1.
Ein arger Stimmungsdämpfer, zumal Aarau und Schaffhausen plötzlich beide in ihren Heimspielen in Führung liegen.
Je länger das Spiel dauert, desto ausgeglichener wird es. Eine erneute Thuner Führung ist mittlerweile nicht mehr nahe. In einem Fussballstadion, in dem die Alltagstragödien 90 Minuten lang vergessen sind, ist ein Tor des Gegners das Schlimmstmögliche. Und Luzern hat tatsächlich die Chancen dazu.
Kurz vor Schluss dann ein schöner Thuner Angriff am rechten Flügel – und ein wilder Cantaluppi, der sich dazwischen wirft. Gelb-Rot ist die Folge. Die Thuner sind nun in Überzahl und müssen doch zuerst einen weiteren Luzerner Angriff abwehren. Und dann – Rama ist längst vom Platz – kommt noch Mäkelä ins Spiel. Die Suomi-Fahne in der Fankurve wird nun noch deutlicher geschwungen, andere Fans schütteln dagegen über diese Einwechslung nur den Kopf. Aber zusammen zittern wir, hoffen wir. Wenn doch Thun jeweils so viel Platz für seine Angriffe braucht, dann sollten sie doch jetzt diese Überzahl gewinnbringend ausnützen.
Ein weiter Ball von Gerber – direkt auf den Fuss von Mäkelä, dieser kickt sanft an den Ball – und der Ball fliegt an Zibung vorbei ins Tor: 2:1 – und das in der 92. Minute.
Fröhlich kehre ich an diesem Abend nach Münsingen zurück, trage wie mein Kumpel stolzer als auch schon die Thuner Farben. Und doch: Noch kurz vor Mitternacht wird es mir mulmig, als meine Blicke auf Gleis 1 fallen. Es gibt grössere Schicksalsschläge als ein Abstiegskampf. Doch da braust bereits wieder ein Schnellzug vorbei.

P.S. Die letzte Feierstunde verbringe ich mit Gölä im Klösterli Pub. Einige YB-Fans trinken hier ihr Bier, nach dem 1:1 gegen Aarau nicht besonders gut gelaunt. Dabei wissen sie noch gar nicht, wie dämlich YB mal wieder verloren hat. „Tiago hat in der 93. Minuten einen Penalty verschossen“, verraten wir ihnen. „Nein, das kann nicht sein!“ Zeitweise wird gar ein Lügenkomplott von uns „Frutigern“ vermutet. Ganz nach dem Motto „Glaube an YB“ stimmt natürlich auch diese YB-Anekdote. Da bin ich also wie gesagt wegen den je zwei Partien von YB gegen Schaffhausen und Aarau vorübergehend auch YB-Fan und diese Gelb-Schwarzen bringen in den ersten drei Spielen gerade mal 3 Tore und 5 Punkte zustande. Peinlich.