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HSV - Thun 2-0
23.02.2006Uefa Cup 2005/2006


Warnung:
Folgender Text ist für Jugendliche unter 18 Jahren sowie Sicherheitschefs und deren Angehörigen nicht geeignet. Falls angesprochene Personen den Text trotzdem lesen, sollen sie sich folgenden Lehrsatz merken: „Bitte nicht nachmachen!“
Für alle anderen gilt: Herzlich willkommen zum sechsten und letzten Tel der Europatour des FC Thun dessen Fans. Dieses Mal machten wir Halt auf der Reeperbahn… aber auch nur, weil unser Hamburger Hotel genau dort war…

Los geht die Reise für vier der fünf Hamburgfahrer aus Münsingen um 18.30. Genau 24 Stunden vor Spielbeginn treffen sich Räffu, Iris, Kevä und ich am Bahnhof in Münsingen und sorgen ein erstes Mal auf dieser Reise für Hopp Thun-Stimmung. Bereits beim Abendessen habe ich erste Verständigungsschwierigkeiten. Trotz zweimaligem Nachfragen beim Kellner, ob er mir wirklich ein Schweinsschnitzel und nicht ein Rahmschnitzel bringen wird, muss ich mich mit einem Rahmschnitzel begnügen. Aber die schlechte Bedienung im Bahnhofbuffet Thun ist ja auch eine der vielen Traditionen unserer Europatournee. Man denke nur an die Bierprobleme vor dem Abflug nach London zurück. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich tags darauf in einer vermeintlichen Kneipe in St.Pauli froh wäre, ähnlich mies wie im Buffet bedient zu werden.
Um 20.00 fahren wir beim Lachenstadion mit zwei Cars los. Vor uns liegt einmal mehr die grosse Welt und in der Hand ein Bier. Da aber Kevä mit dabei ist, ist natürlich auch der Weissweinkonsum so gross wie nie. Keine Frage, es ist ein fröhlicher Abend. Die Nachricht, dass es im Skiakrobatik eine weitere Goldmedaille für die Schweiz gegeben hat, sorgt für noch mehr Stimmung.
Deutschland ist schnell erreicht, doch bis nach Hamburg ist es noch hunderte Kilometer. Wir sind froh, haben wir genug Platz im Car. Doch dies leider nicht alle, irgendwo im deutschen Nirgendwo hat der zweite Car mit den eher namenlosen Thunfans eine Panne. Er verliert laufend Öl, an einer Weiterfahrt ist nicht zu denken. Während die Fahrer sich um die Reparatur kümmern müssen, damit das Gefährt zumindest mit einigen Stunden Verspätung Hamburg noch erreicht, steigen die Fans in unseren Car um. Dicht ist jetzt das Gedränge, längst nicht jeder hat jetzt einen Sitzplatz. Manche müssen mit Treppe vorlieb nehmen. Ganz Gentlemen ist René, der seinen Platz zur Verfügung stellt und dann mitten auf dem Gang schläft.
Als wir um halb Fünf Uhr morgen einen von mehreren Halten einlegen, sind wir entsprechend müde. Zum Glück endet Sändu eine wahrhafte Entspannungs-Ecke, wo man 40 verschiedene „Music for Relavation“-CDs Probe hören kann. Ob akustische Indianertrauchzeichen, keltische Grooves oder Walgeschrei, die Auswahl ist wirklich riesig. Sändu und ich drehen die Lautsprecher voll auf und sind bald total entspannt. Da kommt ausgerechnet der Verkäufer zu uns und beklagt sich über die laute Musik. Entspann dich doch und kauf dir eine CD. Ich selber habe leider meine Euro im Car liegen gelassen, weshalb ich aus dem Car leider nicht mit Yoga-Music in neue Sphären versetzen kann. Aber wenn ich beim Beautiful-Lied (der Name ist leider nur schwer zu merken) von James Blunt mit einem Hohen C oder sonst wie hoch mitsinge, ist das natürlich auch schon ein himmlisches Erlebnis.
Um acht Uhr sind wir an einer weiteren Raststätte, nun in Brunautal-Ost, wo immer das ist. Auf einer Meinungskarte sollen wir Fragen wie „Wie wohl haben Sie sich bei uns gefühlt?“ oder „Wie gerne möchten Sie wieder unser Gast sein?“ beantworten. Wo aber sind die wirklich entscheidenden Fragen wie „Wie gerne spielen Sie mit den Plastikschafen auf der Fensterbank?“, „Wie laut lachen Sie über René, wenn dessen Konfitürebrot auf den Boden fällt – natürlich auf die bestrichene Seite?“ und „Wie gefällt ihnen unser grosser Weihnachtsmann im Shop, der ihnen sicher zu dieser Jahreszeit scheissegal ist, immerhin aber ein lustiges Preisschild am Rücken hat?“
Letztere Frage würde ich auf der 5-Smilie-Skala mit einem 2 beantworten. Denn wenn plötzlich Kevä mit dem Schild „Mich können Sie für 70 Euro kaufen“-Schild am Rücken herumläuft, ist das ein grosser Morgenlacher.
Bald nähern wir uns „Hamburg ist eine Hafenstadt“. Hier erstaunt mich Willu, der doch tatsächlich nicht vor dem Hotel parkieren will, sondern einige Gehminute entfernt an einer Strasse. Würde er sich besser bei der Presse informieren. In der Hamburger Morgenpost ist nämlich zu lesen, dass sich die Polizei im Streik befindet und keine Knöllchen verteilt. Dasselbe hat auch ein ständig richtig liegender Berner Landbote-Schreiberling recherchiert. Doch Willu will trotzdem keine Busse vor dem Hotel riskieren und bleibt bei seiner Parkvariante.
Wir steigen aus und machen uns mit lauter Stimmung bemerkbar. Es ist 10 Uhr, wir können Hamburg und vor allem die St. Pauli noch einige Stunden unsicher machen. Das Hotel Stern, wo wir übernachten (könnten) liegt ja direkt in der Reeperbahn. Wir ziehen die Strasse entlang und Kevä hat schon bald einen Doppelhalter. Er hält einige Zeit lang ein Schild von SPD-Olaf in die Höhe. „Olaf, Olaf, Olaf“ singen wir, denn Rot-Weiss ist immer eine gute Sache.
Einige von uns haben Hunger, viele Durst. So gehen wir in die angeblich beste Kneipe in St. Pauli. Herzlich willkommen im Schweinske. Doch auch wenn ganz neudeutsch „You’re welcome“ an der Türe steht, sind wir alles andere als willkommen. Schon nach 30 Sekunden haben wir Krach mit der Bedienung. Gruppen von sechs bis acht Personen haben kein Anrecht auf einen Längstisch, wir müssen erst zu siebt, dann zu neunt an einem runden Tisch setzen. Ein Hoch auf die deutschen Tischsitten. Noch wunderlicher wird’s, als wir kurz vor Elf ein „Hopp Thun“ anstimmen. Wir sollen die Frühstückgäste nicht stören, mahnt uns die Bedienung. „Wir sind keine Kneipe!“ so die klare Aussage. Trinkgeld gebe ich bei so viel Bosheit keine, ich beharre auf 5 Cents Rückgeld.
Bevor wir um 12 Uhr unsere Zimmer beziehen können, marschieren wir noch Richtung Millerntor. Gross ist hier der Andrang, alle wollen ein Ticket für das Bayernspiel im Pokalhalbfinale. Wir kaufen Mützen, Handschuhe und Schals, bald laufen wir ganz in Pauli-braun herum.
Bei der Zimmerzuteilung darf ich mich über Kevä und Marco als Partner freuen, wenn da mal keine Schlüsselprobleme drohen. Zum Glück bekommt aber jeder einen sechsteiligen Zahlencode mitgeteilt. Als erster gehe ich hoch und knalle Kevä vor der Nase die Türe zu. Innert fünf Minuten bringt er es gemeinsam mit Marco nicht fertig, die Türe zu öffnen. Schliesslich habe ich erbarmen und öffne die Türe. Türklopfen nervt beim Biathlonschauen.
Zum ersten, aber längst nicht letzten Mal während unserer Hamburgreise macht Kevä bei unserem kurzen Hotelstopp viel zu lange und ist bei der verabredeten Zeit längst nicht vor der Hotel. Schliesslich gehen ein paar Pilze und ich halt schon mal Richtung Burger King. Tomtom und Kevä melden sich später per Telefon. Bis sie aber wirklich bei uns sind, sind wir längst mit dem Essen fertig. Ausgerechnet Reeperbahn-Tausendsassa hat sich verlaufen. Dabei habe ich doch noch extra gesagt: „Der Burger King ist dort, wo die Polizisten ihr Streikschild in die Höhe halten.“
Vieles scheint wirr in der Reeperbahn heute. Irgendwie ist auch das ganze Quartier eine einzige Baustelle. Kleine Maschinen kotzen Wasser heraus, grosse Maschinen machen dagegen einfach viel Lärm und Bauarbeiter grinsen, wenn Kevä kommt. Okay, wir grinsen auch über Kevä, denn mit seiner 2 Euro-Kappe in Kindergrösse sieht er wirklich etwas sehr „Je suis toruist“-aus.
Dabei wollen wir uns doch ganz deutsch geben. Wir singen nicht nur ganz patriotisch „Ich liebe Deutscheland“, sondern Röbi schnappt sich auch noch ein Hartz 4-Plastikfähnchen und macht eine Kleinst-Demo gegen den Sozialabbau in Deutschland. Rot-weiss ist politisch halt doch keine gute Sache.
Unsere Meinung zählt aber irgendwie nicht. Ein schönes Mädel macht zwar eine Strassenumfrage, will sich aber einfach nicht mit uns unterhalten. Dabei hätten wir doch so viel zum Thema Autofahren in Deutschland zu sagen. Und auch der NDR-Radioreporter, der vor dem HSV-Shop Fans interviewt, will uns einfach nicht an Mikrofon lassen. Fehlende Fremdsprachkenntnisse?
Wenigstens die Mädels im HSV-Shop sind nett, auch wenn sie viel um die Ohren haben. Tickets für HSV-Thun sind noch begehrter als für Pauli-Bayern, wie wir Gott sei Dank merken. Über 40'000 Leute werden im Stadion sein. Ob die Mädels wohl für eine Choreo HSV-Ballone verteilen? Wir nehmen trotzdem ein paar Stück. Ach ja, noch einen Gruss an Nicole Hellendoom, die mich mit einem sonst in Hamburg leider nirgends zu findenden süssen Lächeln bedient hat. Ist wohl eine Holländerin.
Deutsche scheinen absolute Schreibmuffel zu sein. Anders kann ich es mir nicht erklären, dass ich Stunden brauche, bis ich endlich meine Briefmarken habe. Kein Shop verkauft Marken, kein Kiosk verkauft Marken, eine Post finde ich lange Zeit auch im Zentrum nicht. Dabei will ich doch auch dieses Mal meine Europatour-Ansichtskarten verschicken, für einmal nur an lauter toller Frauen und nicht an irgendwelche Aushilfen im YB-Sekretariat. Schliesslich finde ich in einer Seitengasse den Eingang ins Postgebäude. Dort muss ich wenigstens kein Zettelchen ziehen, sondern kann mich gleich an einen der vielen Schalter begeben. „Briefmarken für die Schweiz wollen Sie? Die habe ich nicht, da müssen Sie schon an den Spezialschalter für Philalisten.“ Unglaublich exotisch, so ein Briefmarkenwert von 65 Cent. Lange zehn Minuten warte ich nun an diesem Sammlerschalter, um notgedrungen Diskussionen über Sonderbriefmarken mitzuhören. Röbi macht es sich derweil gemütlich und nimmt für mich einen offiziellen Briefmarkenbefeuchter der deutschen Post mit.
Als ich die Marken habe, gehen wir Richtung Hauptbahnhof zurück. Ausgerechnet, sprich logischerweise, an einem Kebabstand kaufen wir eine Runde Bier. „Ohne Türken fahrn wir zur WM“ wir da ohne weitere Folgen angestimmt.
Briefmarken, Bier und jede Menge gute Laune am Nachmittag, was will man mehr? Eine schöne Frau zum Beispiel. Zurück auf der Reeperbahn, gehen wir daher ein erstes Mal in ein Striplokal. Doch das Nachmittagsprogramm des Blue Night hat wenig Höhepunkte. Die Stripperin im Tomtom-Alter hat kleine Brüste, die erst noch hängen, einen schwabbeligen Orangen-Arsch und mehr Haare zwischen den Beinen als Tomtom auf dem Kopf. Schnell trinken wir die 6 Euro-Biere schnell aus und gehen wieder raus, während es Kevä hier ganz gut gefällt. Er verschenkt sogar den Schal und darf dafür kurz am Höschen schnuppern. Wie romantisch.
Wir treffen uns wieder an einer Imbissbude, wo Tomtom bei meinem Eintreffen schon Krach hat. Die St.Pauli-Lydia, mindestens 70, aber mit dem schnellsten Mundwerk Deutschlands, lässt sich nicht gerne anlügen. Und Tomtom hat ihr doch tatsächlich gesagt, er sei zum Hockeyschauen in Hamburg. Lügen ist man sich in Pauli nicht gewohnt.
Um 17.00 sollten wir losfahren Richtung Stadion, doch es gibt eine grosse Verspätung. Ausgerechnet Thun-Lydia und meine Mutter wollen erst im Hotel in den Car steigen, doch dort fährt der ja gar nicht vorbei. Als das Missverständnis geklärt ist, nähert sich der Spielanfang unaufhaltsam. Die wegen Feierabendstau und lauter roter Ampel stark verlangsamte Fahrt beruhigt uns keineswegs. Und als Willu vor dem Stadion noch Mühe hat, den richtigen Eingang zu finden, werden wir nervös. Schliesslich lässt er uns raus, noch immer am totalen falschen Ort. Wir fragen uns durch und latschen durch Sicherheitstore, bis endlich beim richtigen Tor sind. Schnell rein in die AOL-Arena, nach vielen Treppenstufen stehen wir oben in unserem Block. Dank Mithilfe einiger freundlicher Thunzuschauer hängen meine kleinen Schweizer Fähnchen schnell, es bleibt die einzige Dekoration. Das Aufhängen von Transparenten ist wegen der Bandenwerbung nicht erlaubt. Die Idee vom Sicherheitsmann, die Fahnen auf leere Sitze zu legen, ist nicht wirklich cool. Unser Fly Agaric-Transparent halten wir schliesslich beim Eingang in die Höhe. Das Spruchband hat die Eingangskontrolle wegen angeblich brennbarem Material ohnehin nicht überstanden.
Den Daheimgebliebenen gefällt zuerst die TV-Zuschauer, weil sie einmal mehr mich im Bild entdecken können. Ich möchte hiermit einmal versichern, dass keine Bestechungsgelder an mattäng-fixierte Kameramänner verteile.
Kaum hat das Spiel aber angefangen, möchten die Thunfans in der Schweiz und hier in Hamburg am liebsten wegschauen.
Bereits nach 63 Sekunden liegt der Ball nach einem schnellen Angriff der Hamburger hinter Jakupovic im Thuner Tor. Ein so katastrophaler Beginn wie schon einst im UI-Cup. Torschütze: Es ist mit Kapitän Van Buyten ein Verteidiger. Weiter ist der HSV stark, zu stark. In der 33. Minute sorgt ein HSV-Eckball für die Vorentscheidung. Trochowski auf Van Buyten und dieser köpft zum 2-0 ein.
Thuner Chancen gibt es in der ersten Halbzeit keine und lange auch nicht in der zweiten Halbzeit.
Hoffnung für die Thuner, denen eine Ein-Tore-Niederlage für ein Weiterkommen reichen würde, kommt erst kurz vor Schluss aus. In der 82. Minute sieht Jarolim Gelb-Rot. Nun zieht sich der HSV zurück, unter einem schrecklich lauten Pfeiffkonzert der HSV-Fans kommt nun Thun zu einigen Tormöglichkeiten. Doch wirklich zwingend ist keine der Chancen, derweil die Hamburger mehrmals das entscheidende 3-0 machen müssten.
Nach langen Nachspielminuten voller Hoffnung ist das Spiel schliesslich zu Ende. Endresultat 2-0. Thun ist aus dem Europacup ausgeschieden.
Die Stimmung bei uns Thunern ist trotzdem toll. Jetzt, wo das internationale Märchen vorbei ist, merken wir erst so richtig, wie toll diese Saison mit zwölf (!) europäischen Pflichtspielen war. Wir singen und tanzen und hüpfen, beim Weg die Treppe runter hallt ein minutenlanger Wechselgesang durch die Gänge. Vor dem Stadion gibt es viel mehr laute Gesänge und schöne Begegnungen mit Hamburgfans. Gemeinsames Foto, kein Problem. Eine Polonaise ist auch ein Muss, in der zweiten Runde auch kriechend. Erst als auch der letzte von uns heiser ist, steigen wir in den Car und fahren zurück auf die Reeperbahn. Es wird eine ganz ganz lange Nacht, wo nicht nur Kevä seinen Spass hat.
Ausgangspunkt ist wieder das Schweinske. Sieben Personen sind wir wieder und schieben daher einen Vierer- und einen Zweiertisch zusammen. Doch das ist auch abends nicht erlaubt erneut haben wir gleich wieder Krach mit der Bedienung. Am liebsten möchte ich gleich wieder raus, doch es ist scheinbar neben Burger King und McDonalds das einzige gehobene Esslokal auf der Reeperbahn. Und so greife ich halt beim Essen ordentlich zu – eine Currywurst als Vorspeise, ein Schnitzel als Hauptspeise. Ich habe doch nicht geahnt, dass beides eine Hauptspeise ist. So kann ich aber wenigstens noch Tomtom füttern, dessen Currywurst einfach nicht kommt. Schliesslich marschiert Kevä von sich aus in die Küche und hinterlässt dort gewiss einen bleibenden Eindruck. Keine zwei Minuten später hat Tomtom seine Wurst. Das Fleisch esse ich alles auf, anhand des Gemüses machen wir auf verschiedene Weltprobleme aufmerksam: beispielsweise auf die Hungerproblematik in Afrika und auf die geschmacklich verheerende Kombination Rüebli-Bier. Merci Fäbu, du hast es tatsächlich fertig gebracht, dass ich einmal ein Bier halbvoll stehen lasse.
Die nächsten Biere an diesem Abend trinke ich dagegen wieder aus, schliesslich kosten sie sechs Euro pro 3 dl-Schäumchen. Die Sinnlos-Gespräche mit den knappbekleideten Frauen sind dabei faszinierender als die harmlosen Strips. Wer nicht 190 Euro für eine Flasche Champagner bezahlen will, sieht in Pauli auch kaum mehr als im Thuner Strämu. Wobei die Thuner Frauen wohl attraktiver sind.
Ab 1 Uhr lassen Tomtom und ich Kevä alleine durch die Reeperbahn-Gemächer streuen und vergnügen uns die restliche Nacht im O’Brien, einem echt angenehmen Irish Pub. Tomtom trinkt Astra, ich trinke Guiness. Gemeinsam wippen und singen wir zu der Musik und erfreuen uns am Chines, der sich fröhlich an seiner Bierflasche festklammert. Dank seinem Kumpel ist es nicht immer die selbe. Dr Chines geniesst den Abend wie wir und grüsst uns sogar, als er gegen drei Uhr verschwindet.
Wann ist hier bloss Feierabend, fragen wir uns während zahlreicher Jägermeister- (Glasmitnehmen inklusive) und Schnupfrunden. Die letzte Runde wir um zwei Uhr eingeläutet, um drei Uhr hat es aber immer noch Gäste und erst um vier Uhr und nach manchem Schwatz mit dem Barkeeper und der frechen Barfrau verlassen wir das Pub – okay, zwischen 3.00 und 4.00 hatte es ausser uns absolut keine anderen Gäste mehr.
Wir begeben uns auf die Suche nach der Kevä, der gemäss anderen Thunfans während der Nacht einmal Hand in Hand mit zwei Frauen gesichtet worden sei. Wir finden ihn aber alleine, fröhlich singend. Er nimmt mich mit in eine Sechs Euro-Bar, in der wir schon zuvor gewesen waren. Frauen tanzen nicht mehr, aber der Bodybuilder hinter der Bar schenkt noch Bier aus. Spannend sind die Gespräche mit ihm und den zwei letzten Stammgästen, spannender wird das Einkassieren. Die zwei Bier von Keväs Freund waren nicht etwa gratis, er verlangt gemäss Preisliste 12 Euro. Ich habe ja noch sieben Euro – ich habe nicht alles Geld auf meinen Reeperbahnrundgang mitgenommen – Kevä hat gar kein Geld. Quasi als Pfand lässt mich Kevä an der Bar zurück und begibt sich auf Geldsuche. Der Bodybuilder telefoniert scheinbar mit der Kripo, um einen möglichen Problemfall anzukündigen. Vielleicht witzelt er aber nur herum. Mir egal, bin zu müde, um mir grosse Gedanken zu machen. Schliesslich kommt Kevä zurück – gemeinsam mit einer Rettungstruppe der Aebikurve. Simu und Remo legen fünf Euro zusammen, so dass ich doch noch heil aus der Bar komme.
Kurz nach halb Sechs ist es, als ich kurz nach Kevä auf mein Zimmer komme. Mein Bett ist nicht leer – Marco schnarcht laut und fröhlich. Er hat mich nicht wirklich überraschen wollen, sondern hat ganz einfach Fernsehen geschaut. Raus mit dir, schliesslich will ich mich jetzt möglichst gut erholen. Minuten später schrillt ein Handy…
Um 6.30 meldet sich die Crew von Zimmer 1201 schon wieder vollständig bei Willu zum Frühstück. Ich habe zwar Mühe im scheinbaren Halbdunkel – ist Hamburg so nebelig oder liegt es an mir – mich am Buffet zu orientieren. Aber irgendwie finde ich dann doch Teller, Glas, Orangensaft und Brötchen, für mehr Traglast reichen meine Kraftreserven nicht mehr.
Kurz nach 7.00 starten wir unsere Heimreise, jetzt wieder mit zwei Cars. Während andere schlafen, schreibe ich wehmütig meine letzten Karten. Immerhin erweisen sich die deutschen Strassen als gute Schreibunterlage, in keinem Land zuvor war die Fahrt so holperfrei. Luxus ist natürlich auch noch der offizielle Schwamm der deutschen Post. Nochmals vielen Dank dafür, Röbi. Doch auch jetzt zeigt sich wieder, wie selten die Postkartenschreiber in Deutschland geworden sind. Bei der ersten grösseren Raststätte frage ich an der Kasse nach einer Abgabemöglichkeit, worauf ich an die drei pinkigen Telefonkabinen verwiesen werde. In welchen Schlitz ich dort meine Karten stecken soll, weiss ich beim besten Willen nicht. Immerhin ist der Hinweis auf die Telefonkabinen andersweitig verwendbar. Beim nächsten längeren Halt, es ist für mich der schon traditionelle Currywurst-Nachmittagshalt, machen wir Pilze ein Telefonkabinen-Fotoshooting. Draussen stehen gleich fünf Kabinen nebeneinander, was ein Gruppen-Synchrontelfonieren ermöglicht. Die Punktewertung dieses Teilwettbewerbes kann ermittelt erst werden, wenn die Bilder im Internet aufgeschaltet sind. Beim Einzelwettkampf drinnen gewinnt dann aber klar Märu gegen Sändu. Elegant überspielt er das Manko, dass das Telefonkabel sehr kurz ist und schwingt sich mit vollem Körper in die Kabine hinein. Sändu dagegen kämpft sich vergeblich ab und hält halb gebückt das Telefon fest. Sändu ist damit der erste Fly Agaric Telefonkabinyman.
Weitere Wettbewerbe auf der Rückfahrt sind eine Dauerschlafkonkurrenz (die müdesten und damit besten Teilnehmer der Allesfahrer: Michu, Tomtom), ein UNO-Turnier (da Frauen mitspielen, gibt es keine Wertung. Selbst Kevin mit – nicht jeder, der sich mit einer Frau unterhalten will, geht mit ihr bowlen), das Kleiner-Junge-hol-mal-den-Ball-Spiel (immer wieder lustig an jeder Raststätte, besonders wenn der Bub verspielter und gehorsamer als jeder Langhaardackel ist. Schade nur, dass es nur einen Teilnehmer gibt, weil der potenzielle Champion Ami fehlt) oder das Smirnoff-Lookalike-Gesöff-Runterwürgen (Ich komme dabei zwar nur auf zwei Flaschen in acht Stunden, aber läck isch das gruuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuusig. Liebe Mit-Pilze, billig ist zumindest in Deutschland nicht gleich gut).
Dazu laufen noch zwei Filme, die anders als der „Hooligan“ wieder einmal aus Willus „Die 100 langweiligsten Handlungen der Filmgeschichte“-Collection entsprechen. Einziger Höhepunkt ist eine Szene, in dem 1/7-Brust der Hauptdarstellerin in einer Erschiesst-mich-nicht-in-der-Badewanne-Szene zu sehen ist. Für alle dies interessiert, hier trotzdem kurz die Handlungen:
Film 1 des Tages heisst ganz böse „The Tracker - Im Zeichen der Rache“ und ist tatsächlich erst 2004 gedreht worden. Die Changs, eine reiche und mächtige New Yorker Mafia - Familie, kontrollieren Drogenhandel, Prostitution und Glücksspiel in der Millionenstadt, doch sie sind nicht alleine. Die Malakovs, von der skrupellosen Russenmafia, töten in einem blutigen Feuergefecht Paul Chang und entführen seine Braut Kim (Lexa Doig).Aus lauter Verzweiflung wendet sich Kims Bruder Rick (Russel Wong) an Kims Exfreund Connor Spears (Casper van Dien – er war doch mal in Starship Troopers und in der Lieblingsserie von uns allen: Beverly Hills 90210). Der hat sein New Yorker Leben hinter sich gelassen, und sich eine neue Existenz als Privatdetektiv in Los Angeles aufgebaut. Am liebsten würde sich Connor heraushalten, doch die Gefühle, die er noch immer für Kim hat, bringen Connor zurück nach New York...
Der zweite Film stammt aus dem Jahr 1986 und heisst ganz einfach „Der Mordanschlag“. Sicherheitsagent Jay Killian (Charles Bronson) steht vor seinem schwersten Job: Er soll Lara Royce Craig (Jill Ireland), die Frau des neu gewählten US-Präsidenten, beschützen. Doch diese gilt wegen ihrer Arroganz und Sturheit als äusserst "problematische" Kundin. Als die First Lady Killians Warnungen nicht ernst nimmt, kommt es zum Konflikt: Sie entlässt ihren Bodyguard. Ein grosser Fehler, denn kurz darauf häufen sich die Attentatsversuche. Doch Killian kommt den Drahtziehern der Anschläge auf die Spur. Höhepunkt des Filmes ist der Werbeblock, da es sich beim Video um eine mindestens 15 Jahre alte RTL-Ausstrahlung handelt. Ein Hoch auf Katjes, Gillette und Perwoll – nur den Jägermeisterspot zensuriert Willu.
Kurz vor 18.00 erreichen wir die Schweiz. Da Sanel fehlt, spielt Tomtom freundlicherweise den Sanel und setzt ein Happy-Bosnier-Gesicht auf. „Es tut mir leid Sanel, aber jetzt bist du wieder der einzige Schweizer.“ Verdammt, jetzt habe ich mich tatsächlich versprochen. Was solls, ohne richtigen Sanel macht der Spruch sowieso keinen Spass.
In Basel stecken wir erwartungsgemäss im Stau, machen aber trotzdem eher sinnlos in Prattlen 45 Minuten Pause. Dies übrigens drei Stunden nach dem Halt zum Mittagessen. Es gibt keine Zeitverschiebung zwischen Deutschland und der Schweiz, lieber Willu. Legendär ist hier der Kiosk, wo es ungefähr 700 FCB-Fanartikel gibt (die Petric-Souvenirs gar nicht eingerechnet), aber keine einzige Schnupfdose. So spielen wir halt noch etwas in der Drehtüre, bevor die Fahrt endlich weiter geht.
Auf dem letzten Streckenabschnitt sorgt noch Willus Durchsage für Aufregung, dass Marco, Kevä und ich diese Nacht kein Auge zu getan habe. Marco gelingt es immerhin, Willu zu einer Gegendarstellung zu bewegen, doch mein Ruf in der Fankurve ist nun wohl definitiv ruiniert. Hoffen wir mal, dass meine Mutter nichts davon erfährt. Bei der Durchsage sitzt sie ja auch nur in der 1. Reihe im Car.
Um 20.08 sind wir in Thun. Auf eine Fahrt durchs Bälliz wird verzichtet, aber auf einige Runden um den Muulbeerikreisel verzichtet Willu natürlich nicht. Hoffen wir bloss, der zweite Car zieht sich bei dieser etwas anderen Fahrweise nicht schon wieder eine Verletzung zu.
Schliesslich sind wir da, Endstation Thun. Zurück in der Provinz, wo scheinbar keine Fussballerfolge möglich sind. Ob wir wieder einmal eine Auslandsreise mit dem FC Thun machen können. Die Zukunft wird’s zeigen. Ich werde dabei sein, egal wo. Und Willu sicher auch. Nur so als Tipp: Carfahrten sind auch nach Kiew möglich!