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Thun - YB 1-1
02.12.2005Super League 2005/2006


Knapp zwei Stunden vor Spielbeginn. Die ersten Fans kommen zum Stadion, trotz eiskaltem Winterwetter freut man sich aufs Derby. Besonders Lydia und Erika, die als erste vor dem Haupteingang hinstehen und sich auf das Öffnen der Tore warten. Ich dagegen bin froh, dass der Fanshop aufgeht. Dies nicht nur, weil sich die Ablagefläche so gut als Bartheke für meine Bierdosen eignet. Und in welcher Bar hängen schon lauter FC Thun-Souvenirs, wobei es aber zum Glück keine Plastikfähnchen hat. Und die liebe Frau Vogt schenkt zwar keine Drinks aus – ein Fehler! – aber erfüllt so ziemlich alle Fanwünsche. Wenn eine Frau drei Schals für die Kumpels kaufen soll, diese Schals dann aber 30 Franken kosten statt wie behauptet 20 Franken, schreibt sie schnell eine Quittung. Wenn ein Vater seinem Sohn als Überraschung ein Dress und einen Schal kauft, darf er diesen bis nach dem Spiel im Shop deponieren. Und wenn jemand ein Matchmagzin gleich am Stand kaufen will, weil er entweder die Matchmagazin-Jungs übersehen hat oder diese gerade alle beschäftigt sind, hilft Frau Vogt auch mit ihren paar Magazinen beim Lösen dieses Problems. Doch halt, das ist ja neuerdings verboten, ein FC Thun-Funktionär kommt extra zum Fanshop, um sich die 20 Matchmagazine zurückzuholen. Was jahrelang als zusätzlicher Service für die Fans galt, ist wohl plötzlich ein Verstoss gegen irgendein Marketingkonzept des FC Thuns. Da kann man nur traurig den Kopf schütteln. FC Thun, was wird aus dir? Frau Vogt ist es mittlerweile egal, sie wird im Spiel gegen Schaffhausen zum letzten Mal im Fanshop sein, ohne auch nur einen Rappen und vor allem auch ohne ein kleines Merci zu bekommen.
Aber wer kann die Welt schon verstehen. Als ich ins Stadion reinkomme – ja, in den Thunsektor! – sehe ich ganz vorne einen etwa 12-Jährigen im YB-Dress. Gügi steht an seinem Rücken, was mich spontan zu einem „Flieger, Flieger!“-Ruf veranlasst. Die Antwort kommt prompt: „Dubu, Dubu!“ ruft er mir zu. Das wie gesagt im Thunsektor.
In der Fankurve ist es dagegen für ein Derby recht still, geflucht wird hier (noch) nicht. Das ändert sich aber sofort, als ich René den Namen des Schiedsrichters verrate. „Guido isch en YB-Fan“, brüllt er nach dem ersten Schock. Da der 1-0-Derbysieg von YB wegen einer Gügi-Schwalbe nach vielen anderen in Erinnerung geblieben ist, singt bald die ganze Kurve mit. Und so konzentrieren sich unsere Negativ-Enotionen nicht auf Raimondi, nicht auf Varela und schon gar nicht auf Gügi. Wildhabers Szenen werden genaustens verfolgt und meist verurteilt. Natürlich ist der Schiri wichtig, denn wenn YB mit fünf Verteidigern spielt und ein erneutes Derby-0-0 droht, kann jeder Pfiff des Schiris über Sieg und Niederlage entscheiden.
Und in der 38. Minute ist es tatsächlich soweit: Wildhaber entscheidet nach einer umstrittenen Strafraumszene auf Penalty. Doch es ist nicht etwa Gügi, der am Boden liegt, sondern Mauro. Penalty für Thun! Lustrinelli tritt selber an – und trifft. 1-0 für Thun. Der YB-Fan neben mir dreht sich frustriert ab. Ja, auch ich dulde YB-Fans um mich herum, wenn sie sich ruhig und fair verhalten und nicht gleich jedem auf die Nase binden, dass sie im Herzen Hauptstädter sind.
In der zweiten Halbzeit ist der YB-Fan verschwunden. Auf einer anderen Seite des Spielfeldes sieht er wie ich, wie YB mit einer der seltenen Torchancen ausgleicht. Nach einem Eckball trifft Gohouri in der 54. Minute zum 1-1.
Zwar kein 0-0, aber doch ein Unentschieden zeichnet sich ab. Thun ist etwas besser, aber zum Sieg reicht diese bloss minime Überlegenheit nicht. Einzige interessante Facts der letzten halben Stunde: Die Zuschauerzahl beträgt 5700 und ab der 82. Minute spielt erstmals ein Chinese im Lachenstadion, doch auch Shi Juan bringt keine echten Derbyemotionen ins Spiel. Das Spiel endet 1-1, trotz und vielleicht auch ein bisschen dank Guido Wildhaber.
Emotionen haben dann noch zwei Männer. Der YB-Fan steht nach Spielschluss an der Hecke und stellt sich Auge in Auge mit Lustrinelli. Der Fan zeigt dem Spieler das Arschlochzeichen aus Frust über dessen Penaltytor, Lustrinelli gibt ihm daraufhin eine leichte Ohrfeige. Nicht wirklich professionell, wie Lustrinelli eine Stunde später bei der fälligen gegenseitigen Entschuldigung zugeben muss.
Zwei Stunden nach Spielschluss verlasse ich dann das Stadion. Mittlerweile hat es heftig zu schneien begonnen. Kaum vorstellbar, dass kurz zuvor im schneeweissen Lachenstadion nach Fussball gespielt wurde. Aber die nächsten Winterspiele finden ja bereits am Mittwoch in Prag statt…

Matthias Engel