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Thun - Arsenal 0-1
22.11.2005Champions League 2005/2006


Sicher ist sicher! Und so hat unser Fanstand-Guru auf der Überführung am Bahnhof Wankdorf auch in der ersten halben Stunde Einsatzzeit mehr Besuche von Stadtpolizisten und SBB-Sicherheitsverantwortlichen als von Kunden. Ganz im Gegensatz zu stets höflichen und gut organisierten BLS-Team von Herr Schär (an dieser Stelle mal wieder einen herzlichen Dank für die Einsätze an allen Champions League-Abenden), zeigen die SBB-Herren portugiesisches Fingerspitzengefühl und fordern um 18.00 teils recht unverschämt den sofortigen Abbau des Fanstandes, für den doch eine Bewilligung bis 20.00 vorliegt. Dies aus Sicherheitsgründen, die Überführung ist ja vor dem Spiel immer soooooo überfüllt. So heisst es halt mitanpacken für mich und die Kartons mit all den Champions League-Schals die Treppe hinunterzutragen – beim Schleppen des eigentlichen Standes packen dann doch noch einige SBB-Herren mit an. So wird halt der Stand beim provisorischen BLS-Billettschalter neu aufgebaut, vis-à-vis von den Strassenverkäufern, die ganz legal illegale Souvenirs verkaufen…

Einfach kalt! Wie auch bei den letzten Spielen in Bern treffen sich auch jetzt wieder die Thunfans vor der Shell-Tankstelle. Doch heute Abend gibt es der Kälte wegen kein langes Anstehen, ich kann gleich sofort an die Kasse und den Schnupf kaufen, mit dessen Verkauf sich gleich beide Verkäuferinnen beschäftigen. Da meine Bierdose unten ein Loch hat, mit der ich gleich so mal die Theke versaue, rechtfertigt sich diese Sonderbehandlung aber auch irgendwie. Wir haben eh alle Zeit heute Abend, viel Zeit. Es ist 18.30 und es will einfach nicht 20.45 werden. Bei so einer Kälte – wir sprechen hier von Minustemperaturen – tut jede Minute doppelt weh. Aber so sind die langjährigen Fans immerhin unter sich, erstmals seit dem Auswärtsspiel in Malmö kenne ich bei einer Champions League-Partie wieder praktisch jeden Thunfan rund um mich. Modefans scheinen nicht ein grosses Schmerzpotenzial zu haben. Immerhin der Glühwein ist eine Erleichterung, N.E.D.I.M. spendiert gleich eine ganze Runde. Einzig der typisch Schlachtruf „Es het no Glühwy“ von Laura (ja liebe mitlesenden YB-Fans, es ist DIE Laura) fehlt mir, damit es mir nicht ganz warm ums Herz wird…

So richtig blond! Um 20.23 fotografiere ich die beiden Mädels hinter mir mit meinem Handy. Was gut ist, denn man sollte sich immer absichern, wenn man leicht angetrunken einen Flirtversuch startet. Okay, auf dem viel zu hellen Handybild erkenne ich nun auch nicht wirklich viel, aber so kann ich besser behaupten, dass es sich um zwei schöne Blondinen gehandelt hat. Auch wenn das Zöpfli-Girl mit dem schwarzen Hut die ganze Zeit felsenfest behauptet, sie sei gar keine Blondine. Immerhin machen sie den ganzen Abend richtig toll Stimmung. Und als der Echt Blond-Kollegin die Fahne runterfällt, macht sie mich sofort darauf aufmerksam, in dem sie mich von hinten begrabscht. Ein portugiesischer Schiedsrichter würde in einer solchen Situation auf eine Rote Karte und (nachdem er seinen Brieffreund in Osttimor befragt hat) auf Penalty entscheiden, ich entschliesse mich zurückzugrabschen. Allerdings weiss ich gar nicht, ob sie das bei den x-Paar Hosen, die sie wohl trägt, überhaupt bemerkt…

Unglaublich gross! Drei Fans braucht es also pro Doppelhalter? Also eine noch gigantischere Antwort auf die zum x-ten Mal wiederholte FC Thun-Vorstand-Plastikfähndliaktion (huch, Überraschung!) hätten sich die Fanprojektjungs also nicht ausdenken können. In unzähligen Stunden ist wieder eine absolut geile Choreo auf die Beine gestellt worden, auch wenn Tausendsassa Beni Thurnheer mal wieder das ganze Spiel missversteht (man sollte halt auch mal das dazugehörige Spruchband lesen) und uns scheinbar für den Arsenal-Fanblock hält. Da ich aber zum Glück nicht wie Millionen von Schweizern auf dem Sofa liege, sondern in der 1. Reihe im D-Parkett stehe, höre ich Benis Irrtümer nicht und halte daher voller Hoffnung, dass irgendjemand da draussen die Choreo verstehen wird, den Doppelhalter in die Luft – Marco und der Glockenvirtuose Clöidu helfen mir dabei…
Einfach langweilig! Wie oft beschweren wir Schweizer Fans uns über das Super League-Niveau. „Alle schiessen Tore nur Giallanza nicht!“, „Bieli ist hässlich!“ (an dieser Stelle ein Gruss an alle Chläbischueh-tragenden Gotteronfans) und „Wenn Bauern mauern – Dorfvereine raus aus Liga 1“. Dumm nur, dass nach Thun-Kiew, Thun-Malmö und Thun-Prag beim fünften Thuner Champions League-Heimspiel Thun-Arsenal schon wieder ein international renommierter Gegner auf dem Platz steht, der trotz überbezahlten Weltstars grässlichen Fussball zeigt. Senderos? Ha. Ljungberg? Ha ha. Henry? Also bitte. Das englische Topteam hat während dem ganzen Spiel keine einzige zwingende Torchance. Doch immerhin gewinnen sie im Gegensatz zu Kiew, Malmö und Prag trotzdem…

Ui Mattäng, nume ruhig! Ich bekomme mal wieder ein SMS zu Beginn der Pause, das verdächtig nach „du warst wieder mal im Fernsehen zu sehen und hast dich natürlich daneben benommen“ tönt. Aber was kann ich denn auch für meine unkontrollierten Wutausbrüche, wenn Minuten zuvor der Schiri Deumi wegen angeblicher Notbremse vom Platz gestellt hat und ich mit „Das isch e Schwalbe gsi“-SMS aufgeheizt werde. Mit diesem Fehlentscheid schwindet die Hoffnung auf einen Punktgewinn…

2-0, was für ein Alptraum! Was haben wir am Freitag darüber geflucht, wie spielend einfach Thun 2-0 in Führung ging und doch noch verlor. So was wollten wir nie mehr erleben. Ob jemand wohl unsere Forumseinträge auf Portugiesisch übersetzt hat? Der Linienrichter setzt sich jedenfalls voll dafür ein, dass Thun heute nicht wieder 2-0 in Führung geht. Erstaunlicherweise schont es aber absolut nicht unsere Nerven, dass er in der Mitte der zweiten Halbzeit gleich zwei Tore aberkannt. Zumindest der Treffer von Lustrinelli hätte unbedingt zählen muss. „The Refree is a wanker!“ Denn was Linienrichter auf Englisch heisst – geschweige denn auf Portugiesisch – weiss ich leider nicht…

Niemals, niemals! Wie kann man bei einem so verpfiffenen Spiel der Linienrichter in der 89. Minute den Schiedsrichter überstimmen und wild wedelnd eine Penalty-Choreo machen? Wie kann der Schiedsrichter, der doch viel näher am Ball war, sich von dieser Penalty-Idee überzeugen lassen. Und warum sieht nicht der angeblich leibchen-zupfende Hodzic Gelb, damit er im nächsten Champions League-Spiel gesperrt ist (was er unter anderem wegen seinem Verhalten im Ajax-Spiel verdient hätte, nicht wahr Tabea), sondern Ferreira. Nun ist Ferreira gegen Prag gesperrt, dabei hat er doch nur das getan, was genau in diesem Moment 30'000 Leute im Wankdorf wollen – auf Portugiesisch fluchen.
Pires tritt an und trifft – 1-0, die portugiesische Schlampe aller Niederlagen ist perfekt…

Seid ihr von allen bösen Geistern verlassen! In seinem Fernsehkabäuschen fordert Beni Thurnheer in der Nachspielzeit sofort den Abpfiff, weil er die rote „4“ auf der Anzeigetafel als „2“ gedeutet hat. Und in der Fankurve zeigen zahlreiche Jungs, dass zu viel Kebab doch ganz böse Nebenwirkungen haben können. Müssen all diese Wurfgeschosse aufs Spielfeld (während des Spiels), Richtung Henry und Co. (als die in die Kabine wollen) und direkt auf das Schiedsrichtertrio (auch beim Verlassen des Spielfelds) wirklich sein. Läck ist das unsportlich. Da hilft es auch nichts, dass die Jungs der Erfrierungsgefahr wegen keine vollen Bierbecher, sondern volle Feuerzeuge nach vorne werfen. Ein paar wilde Handgesten mit englischen Fluchgrunzen hätten es doch auch getan – nehmt euch doch mich als positives Beispiel…

Wut verleiht Flügel! Je unglücklicher Thun verliert, desto mehr Energie hat auf einmal Kevin. Wie schon am Ajax-Abend, ist auch jetzt kein Verkehrsschild mehr vor ihm sicher. Er will da rauf, er will da rauf, er will da rauf. Immerhin macht er seine Kletterpartie dieses Mal nicht fünf Meter vor einem Kastenwagen der Polizei – sondern fünf Meter vor einem Werkhofmitarbeiter der Stadt Bern. Kevin sollte mal mit Michu zusammen auf eine Bergtour. Wobei das auch gefährlich ist, er könnte sich verirren. Heute Abend schafft er es nicht einmal, auszusteigen, als der Zug am Bahnhof Münsingen hält. Da es so spät am Abend keinen Retourzug von Thun nach Münsingen mehr gibt, müssen wir Kevin wohl wieder mal als verschollen melden…

Sicher ist sicher! Neuerdings gibt es meine mysteriöse Abkürzung am Bahnhof Wankdorf für auf den Zug nicht mehr. Oder besser gesagt: Der Eingang zum Lift wird besser bewacht als ein durchschnittlicher Schweizer Nationalspieler. Zwei Polizisten und eine Polizistin braucht es, um Hooligans wie mir den Weg zum Lift zu versperren. Aus Sicherheitsgründen. Nur gut, weiss ich als aufrechter Schweizer, dass es in unserem Land nur auf den Fussballplätzen fragwürdige Entscheidungen gibt und ja nicht etwa im wahren Leben…

Matthias Engel