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Perly - Thun 1-7
23.10.2005Schweizer Cup 2005/2006


Der schnellste Weg kann ganz schön kompliziert sein. Dreimal umsteigen rund um Genf schlägt uns die Fahrplanauskunft als schnellste Reisevariante nach Perly-Certroux vor. Erst ein Trolleybus, dann ein Minibus Richtung Lully und schliesslich noch ein Bus Richtung Lancy. Was für Berner Oberländer Fussballtouristen schon gewöhnlich eine grosse Herausforderung ist, wird zur Mission Impossible, wenn niemand aus der 12-köpfigen Reisegruppe den Fahrplan ausgedruckt hat. So lassen wir uns am Bahnhof Genf eine neue Route zusammenstellen – etwas weniger schnell, aber dafür um vieles einfacher. Der Bus mit der „Nummer“ D fährt nämlich direkt nach Perly. Die Wartezeit am Bahnhof beträgt einfach immer noch rund 20 Minuten, so dass plötzlich die 10.01-Reisenden ab Thun uns 9.34-Herumirrenden einholen. Und so sitzen wir halt nun im selben Bus. 35 Minuten lang. Und manch einer hat während der Fahrt ein Déjà-vu, denn es ist natürlich auch der Bus zum Stade de Genève. Servettefans sehen wir hier aber keine, erst Stunden später treffen wir auf 2 feiernde Servettiens am Bahnhof Bern. Leider zwei Herren.
In Perly verpassen wir noch um ein Haar auszusteigen, erst im letzten Moment entdeckt einer das „Perly“-Schild. Nun stellt sich aber das nächste Problem: Wo ist eigentlich das Stadion? Zum Glück fährt da gerade der Mannschaftsbus vorbei. „Hm, der Car blinkt dort vorne rechts, ob dort wohl das Stadion ist?“ Ein Versuch ist es wert, und tatsächlich stehen wir viertel nach Eins endlich vor dem Fussballplatz.
Nun beginnt eine kleine Glückssträhne von mir. Ich gewinne heute vor dem Spiel gleich mehrfach. Erst schenkt mir ein Security seine Eintrittskarte und dann gewinne ich beim Swisscom-Balldrehspiel eine 5 Franken-Taxcard. Auf dem Bild abgebildet – alle im Thundress – Hodzic, Dos Santos, Baykal, Cerrone, Coltorti. Schon noch dumm, dass von diesen einstigen Helden nur Hodzic und Baykal in der nächsten Cuprunde noch dabei sein werden.
Gewinnen will ich aber vor allem endlich einen Ball. Als Nobody unter den Ballfängern – leider habe ich nie mit einem Thunspieler einen „Deinen Ball bekomme garantiert ich“-Vertrag abgeschlossen – weshalb ich wieder mal vergeblich hin und her hoppse. Einen Ball fängt beispielsweise Iris auf, ich gehe zum x-ten Mal in Folge leer aus. Hätte man denn nicht als Trostpreis noch ein paar Tausend Plastikfähnchen in die Thuner Fankurve werfen können. Aber halt… das ist schliesslich heute in den Augen unserer Klubverantwortlichen wohl bloss ein Grümpelturnier.
Wir singen trotzdem auf unserer Zusatztribüne, immerhin um die 100 Fans haben den Weg ins ferne Welschland gefunden. Und doch ist in den ersten Minuten die akustische Überlegenheit alles andere als selbstverständlich, immer wieder schreien die Zuschauer aus Perly laut auf, wenn ihre Mannschaft in Ballbesitz kommt. Und sei es nur an der Mittellinie. Dreimal kann tatsächlich ein Perlyaner auf Jakupovic loslaufen, aber zu mehr als einem zufälligen Abschluss der Aktion reichts dann jeweils nicht mehr.
Trotzdem wird besonders René ungeduldig, als Ostschweizer ist er mit peinlichen Cupouts vertraut. Wann fällt endlich das erste Tor?
Die Bange hat nach ungefähr zehn Thuner Eckbällen in den ersten 25 Minuten ein Ende. Plötzlich beginnt ein beeindruckender Thuner Torreigen, wobei die Tore irgendwie immer im Doppelpack fallen. Zählen wir mal mit: 25. Minute Aegerter 1-0. 28. Minute Ferreira 2-0. 41. Minute Ferreira 3-0. 44. Minute Deumi 4-0.
Dann ist Pause und jeder Thunfan hat seine eigene Mission. Ich beispielsweise laufe über den ganzen Platz, weil ich weiss, dass es nur in der Clubbeiz den für uns schon fast traditionellen Cup-Weisswein gibt. Doch ich muss lange debattieren, bis ich auch wirklich mehr als 2 Cl Weisswein bekomme. Gemäss Sicherheitsbestimmungen dürfen nämlich keine Glasflaschen herausgegeben werden. Schliesslich darf ich 3 grosse Plastikbecher voll Wein über den Platz balancieren, wobei ich hinten dem Tor hindurch muss, da die Spieler bereits wieder auf dem Feld sind.
Kevin hat noch eine lebhaftere Pause. Er ärgert sich über das „Raus Thun“-Transparent einiger Perly-Witzbolde. Kurzerhand geht er hinüber und reisst es an sich. Seine Strafe ist eine saftige Ohrfeige. Wobei dieser Schlag nur halb so schlimm ist wie die Attacke von Remo auf Ami wenig später.
Die Stimmung ist halt wild im Thunsektor, da muss man ganz schön aufpassen, dass einem keiner den Wein und das Bier verschüttet. Aufs Spiel selber muss man sich nicht gross konzentrieren. Ein gewisser Giraud schiesst in der 51. Minute zur Freude aller Einheimischen das 4-1, dann fällt eine halbe Stunde lang kein Treffer mehr.
Schliesslich kommt es auf den Rängen wie auf dem Platz zu einem Schlussfurioso. 81. Minute Lustrinelli 5-1. 82. Minute Aegerter 6-1. 86. Minute Spadato 7-1.
Nach dem Spiel werden die Thunspieler von heimischen Fans umringt, während ich doch noch zu meinem Ballfang-Erfolgserlebnis komme. Auch wenn mir der Ball „nur“ wenn Reto zugeworfen wird.
Dass wird dann noch bis 17.20 in Perly bleiben, liegt an den spärlichen Bus-Direktverbindungen. Eine Umsteigereise trauen wir uns nun erst recht nicht zu. Als der Bus schliesslich kommt, sind die Carleute bereits in Lausanne. Was soll’s, um 18.13 fahren am Bahnhof Genf auch wir endlich los – das Berner Oberland ist noch drei süffige Stunden entfernt.

Matthias Engel