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St. Gallen - Thun 2-2
06.10.2002NLA Qualifikation 2002/2003


"Mir si mit em Fernseh da, mir si mit em Fernseh da, mir si mit em Fernseh da...." Nicht unbescheiden erwähnen wir vor dem Match singend, das heute zum allerersten Mal ein Thun-Spiel live im Fernsehen übertragen wird. Und da man ja bekanntlich nicht allzu oft zu einem nationalen Fernsehauftritt kommt und dann erst noch auf dem intellektuellen Harald Schmidt-Sender SAT1, bereiten wir uns natürlich auf der x-stündigen Zugfahrt nach St. Gallen seriös auf unseren Auftritt vor. So ölen wir unsere Stimmen mit gegen zehn Liter Bier. Es sei hier nicht verraten, auf wie viele Kehlen diese Menge verteilt wird, aber die Welt gerät doch heftig ins Schwanken.
Die Welt, die ist verregnet, was mich von der Stadt, die uns da begrüsst, doch ziemlich frech dünkt. Unser Schirmpotenzial ist nämlich leidlich begrenzt, aber wir fürchten uns halt auch sehr vor der berüchtigten Eingangskontrolle. Doch siehe da, ausser zwei, drei Handgriffen in Gepäck und Hose komme selbst ich psychisch und physisch unversehrt ins Stadion. Von den mich immens dünkenden 19 Franken Eintrittspreis einmal abgesehen.
Plakate und Transparente finden am Zaun eine Heimat, auch der "Rot-weiss regiert den Kanton"-Spruch ist wieder zu finden. Man muss doch auch die Fernsehzuschauenden aus Bern freundlich grüssen.
Wegen einem Kampf um Bratwürste (es gibt Senf, nur seltsamerweise nicht für mich) und einem missratenen St. Gallen-Schal-Kauf (die sind immer noch nicht gratis, sondern kosten weiterhin 30 Franken. Wucher!) verpasse ich die Durchsage der Thuner Mannschaftsaufstellung. Überrascht bin ich daher, als ich nicht nur Streller, sondern besonders auch Wölfli einlaufen sehe. Nach dem GC-Match behaupten da böse Zungen, Latour hätte den Match schon aufgegeben, doch der Kenner weiss: Wölfli hält tüchtig was.
Der Match beginnt und die Thuner lassen sich gar etwa nichts von einer beschlossenen Niederlage anmerken. Sie wollen Sieg, Sieg, Sieg und spielen sehr angriffig gegen das momentan in der Meisterschaft so sehr leidende Ostschweizer Team. Die weit über 200 Thuner Minuten ohne Tor scheinen längst vergessen, trotz Regenwetter ist Ramawetter und als der so richtig gefährlich aufs St. Galler Tor zukommt und abdrückt, jubeln wir los: 0-1, Thun führt! 25 Minuten sind da gespielt.
Thun dominiert weiter, die Ostschweizer sind selten in der Offensivzone am Ball und wenn, sind ihre Schüsse gerade nur Schüsschen und nun wirklich sehr harmlos. Kein Wunder, pfeift das heimische Publikum zur Pause gnadenlos.
Während das Spiel ruht, esse ich auf Pädus Empfehlung einen Hamburger. Oi oi oi, der ist mächtig verkohlt. McSchwarz Burger halt, hoffentlich kein schlechtes Omen für die zweite Halbzeit.
Und tatsächlich, nun scheinen die St. Galler plötzlich mitspielen zu wollen. Ab und zu taucht einer vor Wölfli auf, doch der bleibt fehlerlos. Nach 62. Minute geht Strettler vom Platz, Gil kommt - und doch bleibt der König des Thuner Sturms ein anderer. Rama und Gil spurten gemeinsam an allen auf dem Platz vorbei, Gil passt zu Rama, Rama trifft - und nun warten alle ab, obs denn eigentlich ein Offside war. Der Schiri meint nein, wir singen hurra und im Espenmoos wird ein zweites Mal an diesem Tag ganz ganz laut gepfiffen. 70. Minuten sind gespielt.
Bisher war ich nicht gross abergläubisch, aber die Tatsache, dass wir heute die Thuner Viertelstunde vergessen anzustimmen, erweist sich als ganz grosser Fehler. Klar haben die Thuner noch zwei hundertprozentige Torchancen, die sie leider nicht nutzen. Doch uns wird klar, dass ausgerechnet die letzten Minuten die erste und einzige Spielphase ist, die von St. Gallen dominiert wird. Und wie. Angriff um Angriff kommt und dann ein Tor, das 1-2 in der 86. Minute. Doch Schiri Leuba will ein Foul gesehen habe. Die Verwirrung im Stadion ist gross, viele glauben an einen Abstoss, doch der Schiri zeigt auf den Penaltypunkt. Gane läuft an und trifft.
Nun zittert man ganz gewaltig mit den Thunern, besonders weil seltsamerweise vier niemals berechtigte Nachspielminuten angezeigt werden. Doch die Thuner stehen gut, behalten selbst in der 92. Minute alle Spieler im Auge und lassen Winkler nur 30 Meter vor dem Tor gewähren. Da zielt der plötzlich aufs Tor - und trifft! Unglaublich, dieses Strichkampfglück der St. Galler!
Zufriedene St. Galler Fans deswegen? Ganz und gar nicht. Erst haben wir es ja noch leicht lächerlich gefunden, als die Polizei mit uns nach dem 2-0 ein "Wir gehen so und so gemeinsam an den Bahnhof"-Sicherheitskonzept erarbeitete, doch selbst jetzt nach dem 2-2 sind ein paar St. Galler Fans so frustriert, dass sie pöbelnd auf uns los wollen. Kurz und knapp: Ein Scheiss Publikum!
Und so befinden wir uns dank Mithilfe der Polizei heil und gesund wieder auf der x-stündigen Heimreise, wo ich neben Nicole sitze und ganz viele rote Herzchen sehe. Also auf ihrer Handyhülle. Ansonsten gibts wieder mal ein bisschen Lärm, weshalb sich die Ruheabteilfraktion vom Stock weiter unten ab und zu beschwerden kommt. Da fühlt man sich doch geradewegs wie daheim.