Thunfans » Spielberichte » SuperLeague 2004/2005 » Thun - FCZ
Thun - FCZ 5-1
27.04.2005SuperLeague 2004/2005


Am letzten Sonntag vor dem Spiel: „Ich feste nach dem Match nicht lange, es gibt ohnehin keinen hohen Sieg.“ Thun sollte 4-0 gewinnen. Heute vor dem Spiel: „Ich bleibe nach dem Spiel nicht lange in Thun, ich glaube eh nur an ein Unentschieden.“ Eine weitere Fehlprognose von mir, wie sich noch herausstellen sollte.
Es ist sowieso ein Tag, an dem das Wort „IRONIE“ mal wieder gross geschrieben werden kann. Ausgerechnet an einem Tag, an dem Thun wegen der Champions League-Übertragung schon um 18.45 spielen muss, wird die nächstjährige Champions League-Teilnahme so gut wie gesichert. Und dies ausgerechnet gegen einen starken Gegner, bei dem Fussballgrössen wie Taini, Nef, Petrosyan, Gygax und vor allem auch Fredy Nedim Bickel das Sagen haben. Hm… natürlich ist diese Aussage höchstens aus arrogantem Zürcher Fussballverständnis heraus ernstzunehmen. Schade eigentlich, ist Petrosyan verletzt, so dass all die Schmährufe gegen ihn für einmal ausbleiben müssen. Aber für das allseits beliebte Fredy Bickel-Liedli haben wir dagegen schon Zeit und Gelegenheit.
Es ist ein Spiel, bei dem vor allem die Tore zu reden geben. Allen voran jenes, das überhaupt nicht zählt!

Das 0-0: Nach einer Viertelstunde beginnt der Thuner Torreigen schon wieder. Lustrinelli wird raffiniert angespielt, schon schiesst er zum ersten Treffer des Abends ein. Laut der Jubel, doch noch lauter Sekunden später der Protest. Das Schiriteam entscheidet auf Abseits. Wie das? Will der SFV den Thuner Meisterexpress etwa mit Fehlentscheiden stoppen?

Das 0-1: In der 34. Minute jubeln die Zürcher. Ilie hat Coltorti soeben bezwungen. Und das bei ihrer ersten und zugleich auch letzten Torchance in der ersten Halbzeit. Aber zählt der Treffer überhaupt? Viele in der Thuner Fankurve sind überzeugt, dass vielmehr dieser Treffer hier aus einer Abseitssituation heraus entstanden ist. Gross der Frust, als auch der optimistischste Thuner merkt, dass das Tor tatsächlich gegeben wird.

Das 1-1: Keine zehn Minuten lang dauert das Thuner Rückstandrennen. Dann ist es natürlich wieder einmal Lustrinelli, der uns Fans jubeln lässt. Sein 1-1 in der 43. Minute lässt auch an diesem Abend wieder auf Punkte für die Thuner hoffen.

Das 2-1: Eben noch hat Coltorti einer der wenigen Zürcher Angriffsbälle abgefangen, als Lustrinelli nach einem schnellen Konter blitzschnell auf Taini zurennt. Doch plötzlich wird er gestoppt, Nef reisst ihn um. Rote Karte für Nef, Penalty für Lustrinelli. Wer bleibt Sieger im Penaltyduell Taini-Lustrinelli? Es ist der Thun-Tessiner, gezielt schiesst er rechts unten ins Netz. Und wieder einmal hallt der Meister-Song durchs Stadion.

Das 3-1: Macht der Erfolg die Thunspieler arrogant? Neben dem Spielfeld nicht, wie der Bund richtig geschrieben hat, herrscht zwischen Spielern und Fans immer noch eine gemütliche „1.Liga-Atmosphäre“. Auf dem Platz benehmen sich die Thuner Spieler aber mittlerweile wie Weltstars. So dribbelt Gerber in der 69. Minute die halbe FCZ-Verteidigung aus und schiesst das auch gleich noch selber. Keine Frage, dass er trifft. Das 3-1 ist sein acht Saisontreffer. „Noch bei keinem Verein zuvor hat Gerber in einer Spielzeit so viele Tore erzielt!“ rechnet mir Michu vor.

Das 4-1: Keine fünf Minuten später schon wieder ein Thuner Tor. Langsam verwirren als die Treffer uns Fans. So glaubt Santoso in der 74. Minuten tatsächlich Cerrone habe das 4-1 erzielt. Er irrt – es war Cerrones optischer Zwilling Gelson.

Das 5-1: In der 88. Minute stellen die Thuner gar noch die derzeit obligate 4 Treffer-Führung her. Die Faneuphorie kennt nun kein Halten mehr. Innert Sekunden reisse ich mir die Kleider vom Leib und halte oben-ohne meinen Schal in die Höhe. Michu macht es mir gleich, so dass der angestimmte Fangesang „Alli Bosler sin schwil“ mit vollem Körpereinsatz ausgelebt werden kann.
Wieder weiss übrigens keiner so recht, wer das Tor gemacht hat. Damit ich meinen Spielbericht trotzdem fehlerfrei schreiben kann, fragt Sanel in meinem Auftrag nach dem Abpfiff die auslaufenden Spieler. „Gelson wars“, erklärt unsere Traumelf im Chor.

5-1 gegen den FC Zürich, Platz 2 fast auf sicher. Unglaublich. Laut und lange wird nach dem Spielschluss noch gesungen – für alle Stadionhelden inklusive Portmann und der IBS. Und mit Longo gibt’s gar eine Extra-Welle. Michel Renggli gratuliert derweil Pileja zum Geburtstag – als Geschenk verspricht er ihr aufs Saisonende sein Haarband. Fankult à la FC Thun halt.
Keine Frage übrigens, dass ich dann halt doch lange feste an diesem Abend. So schauen wir Fans das Sport aktuell beispielsweise gemeinsam an. Interessant ist dabei auch der Spielbericht aus dem „leeren“ Neufeld. Thun hat also tatsächlich heute abend knapp mehr Zuschauer als YB gehabt. Ohne Erfolg und Zuschauer bleibt den YB-Jungs jetzt wirklich nur noch die Tradition…
Wir dagegen feiern bis Polizeistunde im Morris. So überschwänglich, das Stuffi immer wieder ermahnt: „Junge, benehmt euch, sonst fliegen wir noch hier raus.“ Oooooh, was für eine Drohung. Rausschmiss in einer Beiz, wo man als Thunfan so geringgeschätzt wird. Beim vorletzten Besuch wollte die Serviertochter Kevin beim bestellen eines „Hot Sandwichs“ nicht helfen und wiederholte immer wieder, er müsse in der Speisekarte den genauen Namen ablesen. Beim letzten Besuch wurde uns das Tische-Zusammenschieben nicht erlaubt: „Setzt euch in den Nebensaal!“ Und beim heutigen Besuch können wir kurz nach elf Uhr nicht einmal eine Kleinigkeit zu essen bestellen. Super dieser Service! Unser einziges Essen ist daher mein Migros-Apfelkuchen. Wobei so Apfelstücke eigentlich weniger als Appetithäppchen und mehr zum Ausschmücken eines saftigen Biers taugen, nicht wahr, Mercutio?
Keine Frage, dass ich auch an diesem Abend wider Erwarten in Thun übernachte, meine Eltern haben sich im Gegensatz zu mir schon längst an meine „Thunmatchbierübernachtungen“ bei ihnen gewöhnt.

Matthias Engel