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FCB - Thun 3-3
11.12.2004SuperLeague 2004/2005


Clousä-Mützen, Nuggis, Pyjamas, Fussabtreter, FCB-Lampen (zum einmaligen Schlampenpreis von nur 109 Franken), Weihnachtskugeln und jede Menge Sportout im einmaligen Rot-Blau-Design - all das kann man im FCB-Fanshop kaufen. Doch mich interessiert nur ein Fanartikel: "Wie viel kostet ein Trikot mit der Nummer 7." Ein kleiner Junge, der wohl im Fanshop seinen Sozialdienst machen muss, berät mich ausführlich. "Ein Trikot kostet 109 Franken, doch das Aufdrucken des Namens, der Nummer und der Sponsoren kostet zusätzlich." Und dann der Skandal: "Wir können Ihnen das Trikot aber noch nicht heute verkaufen, wir müssen es ja erst bedrucken und schicken es Ihnen dann zu." Ja bei so wenig Service für die sicher zahlreichen Petric-Fans kaufe ich natürlich nichts.
Vielleicht besser so, denn sonst wäre die Eingangskontrolle noch länger gegangen. "Packen Sie ihren Rucksack aus!" werde ich vom überaus faulen Security angeschnauzt. Ganz schön clever, alle Mitbringsel auf dem Tisch ausleeren zu müssen und der gelbe Mann schaut dabei nur zu, bevor er langsam zu kontrollieren beginnt. Dauer der Kontrolle: über fünf Minuten, das Anstehen ist dabei nicht einberechnet.
"62 Tickets hat es noch im Sektor B1", wurde mir etwa um 17.00 an der Abendkasse gesagt. Und tatsächlich ist der Thunsektor so gut gefüllt wie schon lange nicht mehr. Etliche Zuschauer sind erstmals im St. Jakob Park, was dann noch zu einigen Schwierigkeiten zwischen langjährigen Thunfans und den Sitzplatzzuschauern führen wird. Schon das Aufziehen des unteren unserer beiden langen Transparenten wird so zur ganz besonderen Herausforderung, nur mit grösster Mühe kann ich mich an den Sitzplatzgeniessern vorbeiquälen, ein Aufheben des Transparentes ist für die meisten Sitzenden unvorstellbar. Irgendwie finden sich dann aber doch noch genug hilfsbereite Leute, so dass auch die Thuner Fankurve noch ihr Zeichen gegen die haarsträubende Zürcher Polizeiaktion vom vergangenen Sonntag setzen kann.
Derweil versucht Martina verzweifelt in den Thuner Sektor zu kommen. Sie ist zwar so eine typische Thunerin wie sonst nur wenige, doch ihr grosses Laster, FCB-Fan zu sein, scheint ihr heute zum Verhängnis zu werden. Einem Security missfällt ihr FCB-Schal und will sie daher nicht hinein lassen. Da sie aber immer ganz besonderen Schwung in die Thuner Kurve bringt, legen wir ein gutes Wort für sie ein, worauf sie sich doch noch zwischen die laut schreienden Thuner Fans stellen kann.
Tatsächlich ist der Lärmpegel im ganzen Stadion ganz laut zu Spielbeginn, dies nicht nur wegen den zahlreichen Anti-Polizeiwillkür-Transparenten an diesem Abend und auch nicht wegen der etwas lächerlichen Buchstaben-Choreo eines vermeintlichen Urs Meier-Fanclubs. (Hier übriges die langersehnte Auflösung: "Urs deine Schirikarriere war grossartig. Danke Urs. Wir sind mega stolz auf dich. Würrenlos & Fans gratulieren!")
Auch auf dem Rasen geht ordentlich was ab, die Startminuten verdienen zweifelsfrei das Gütesiegel "Spektakel". Dies auch dank den Thunern. Obwohl wieder einmal keiner der eigentlichen Stürmer auf dem Platz steht, machen sie sofort ordentlich Druck. Besonders Gerber lässt das Fehlen der Thuner Offensivkräfte vergessen. Er ist einmal mehr in Topform, und mit einem platzierten Schuss in der 5. Minute erzielt er tatsächlich das 1-0. Thun führt 1-0!
Basel hatte bis anhin noch keine einzige Chance. Doch gleich nach dem Wiederanpfiff wird es gefährlich vor dem Thuner Tor. Die FCB-Argentinier tricken gewitzt Coltorti aus, Delgado kann so in der 6. Minute zum 1-1 einschiessen.
Und damit nicht genug der Starthektik. In der 9. Minute fällt der Startdebütant Preissig verletzt aus. Und wieder ein FCB-Verteidiger weniger. Nun stehen die Thuner Chancen an diesem Abend doch gar nicht schlecht.
Doch der Rest der ersten Halbzeit gehört dem FCB. In der 22. Minute erzielt Carignano das 2-1, in der 38. Minute schiesst Rossi zum 3-1 ein. Zum Glück hat Coltorti einen guten Abend, denn sonst müsste man ein 8-1-Debakel im GC-Stil befürchten.
Doch die Thuner Fankurve beschäftigt sich da mit anderen Vorkommnissen, es kommt zu zwei peinlichen Duellen. Das erste Duell heisst Sitzplatzfan gegen Fly Agaric-Stimmungsmacher. Der Fly Agaric-Junge steht vor dem Sitzplatzgeniesser, macht Stimmung und verdeckt ihm die Sicht. Da wird er auf einmal von hinten zu Boden gerissen und nach einem kurzen Wortgefecht gar geschlagen. Jemand ruft nun idiotischerweise die Security herbei, es wird das 1. Stadionverbot an diesem Abend ausgesprochen.
Das zweite Duell lautet Laura gegen die Security. Grässlich verärgert (was sie auch lautstark allen mitteilt) über einen Fan mit FCB-Hut inmitten der Thuner, sieht sie sich plötzlich Aug in Aug mit einem Securitymann. Das laute Wortgefecht der beiden endet mit einem Stadionverbot für Laura und so steht sie plötzlich ausserhalb der Stadiongitter. Einige Tränen, mehrere Telefon- und sonstige Gespräche sowie etliche Spielminuten der ersten und zweiten Halbzeit später zeigen die FCB-Verantwortlichen überraschenderweise Herz und lassen Laura unter verschiedenen Auflagen wieder ins Stadion.
Als wir mit ihr gemeinsam in die Kurve zurückkehren, hat der FCB-Druck längst nachgelassen, die Ballbesitze der Thuner werden häufiger und dauern länger. So ist in der 62. Minute auch Aegerter am Ball. Frech schiesst er ein lauwarmes Schüsschen Richtung Zuberbühler, das dieser prompt ins Tor hinein flutschen lässt. Nur noch 3-2. Und die ganze Kurve singt "Zubi, Zubi, Zubi, Zubi" und "Zubi isch närvös" und "Er het scho mänge düregla u wird no mänge dürela" und alle sind einfach glücklich.
Aber können die Thuner sogar noch mehr? Ja! Sie machen nun das Spiel. Chancen werden vergeben, wie gewohnt auch von Raimondi. Aber in der 73. Minute ist aller Raimondi-Spott für lange Zeit vergessen. Da erzielt er nämlich den 3-3-Ausgleich. Juhu!
Und dies ist wieder der Auslöser für Ärger in der Thuner Fankurve. Röbi will nach vorne stürzten, doch dort sitzt die sichtlich geschockte Martina. Sie lässt ihn nicht durch, er reisst sie um, das dritte grosse Theater an diesem Abend ist perfekt. Martina muss/darf in den FCB-Sektor rüberwechseln, während ich Röbi so hartnäckig packen und vom Tatort wegbringen muss, dass nicht auch er noch ein Stadionverbot bekommt. Eine traurige Szene in einer sonst doch so friedvollen Kurve.
Wenigstens können alle anderen ihre Energie in Anfeuerungsrufe umsetzen. Die Thuner sollen nun zum Sieg geschrieen werden, kein Ding der Unmöglichkeit bei dieser schwachen FCB-Verteidigung. Doch Zubi macht nun noch zwei schöne Paraden. Und immer wenn Urs Meier in der Thuner Platzhälfte pfeift, herrscht höchste Freistosstreffergefahr. Doch Coltorti hält jeden Schluss.
Schliesslich pfeift Meier das Spiel an. Zeitgleich mit seiner langjährigen Karriere endet auch eine supermegatolle 1. Saisonhälfte der Thuner. Während Gerber sein Trikot mit Meier (!) tauscht, werfen einige andere Spieler ihre Leibchen und sonstige Utensilien uns Fans zu. Besonders erfolgreich beim Auffangen der Souvenirs sind unsere Fans vom BFF, die einen Coltorti-Handschuh und ein Deumi-Armband erobern können. Zumindest das Letztere wäre ein ideales Weihnachtsgeschenk für mich, nicht wahr, Mätthu?
Die Heimfahrt ist für mich etwas chaotisch. Sechs Thunfans drängen gemeinsam in den überfüllten Extrazug, doch für Jan und ich hat es definitiv keinen Platz mehr. Während er sich zu einer Autoheimfahrt entschliesst, hetze ich in einem Tram zum Aeschenplatz. Ab hier wäre Laufen eine gute Idee, wird mir ausgerichtet, doch was, wenn ich nicht weiss, wo durch. So warte ich endlose Minuten auf das nächste Tram, zuerst sogar an der falschen Haltestelle! Aber schliesslich kommt mein Tram des Glücks, worauf ich mich gleichzeitig "Herr der Polster" und "Herr der BVB-Trämli" fühle und Sekunden vor Zugabfahrt doch noch im Zug Richtung bin.
Die gute Laune ist gross, besonders bei unserer 5-köpfigen Fahrgemeinschaft, die 2 10er Gaschongs Tell-Bier verkauft hat. Das gäbe gemäss sämtlichen Taschenrechner dieser Welt einen Bierkonsum von 4 Flaschen pro Kopf. Doch irgendwie verteilen wir das Bier so freigiebig, das am Schluss jeder von uns gerade mal zwei Flaschen getrunken hat und entsprechend nüchtern wird. Und mein letztes Bier schnappt mir erst noch Kevin weg, bloss um es in einem anderen Abteil nach einem Stolperer auszuschützen.
Es ist eine einmalige RĂĽckreise, mit dabei ist auch Martina, die schon etwas weniger missgelaunt ist. Ihre Stimmung wird gar noch besser als ihr jemand ein David Degen-Souvenir (oder doch vielleicht David Degen selber?) verspricht. Bei unserer "Wir sind Thuner, keine Berner"-Polonaise durch den ganzen Zug macht sie trotzdem nicht mit. Auch der Kondukteur hat nicht so Freude an unserer Gesangsdarbietung, vor den 1.Klass-Wagen schneidet er uns den Weg ab: "In der 1. Klasse hat es keine Fussballfans!"
Vor dem Stadion Lachen feiern derweil schon längst Spieler und Fans bei ordentlich viel Glühwein und Feuereffekten die gute erste Saisonhälfte. Selbst als wir Zugfahrer um Mitternacht dort eintreffen, ist der gemeinsame Spass noch im vollen Gange. Bei jedem Spieler, der nun im Auto losfährt, wird laut gejubelt. Am lautesten ist aber Laura: "Es het no Glühwy, göit alli nid wäg, itz nimmt jede no Glühwy, i wott dä nid wägschütte, es het no Glühwy?"
Irgendwann haben wir Zugfahrer dann aber doch zu kalt und gehen Glühwy hin oder her ins Partylokal Wendelsee. Hier sind die Welcome Drinks empfehlenswert, besonders, wenn die neckische Partylady sie vor uns verstecken will. Doch im Gegensatz zu Mätthu durchschaue ich den Trick der Frau, ein tiefes Brummen und ein nettes Lächeln später bekommen wir beide je einen zweiten Welcome Drink. Anschliessend räumt sie den Welcome-Tisch vorsichtshalber gleich ab, denn man kann den Thunfans ja nicht trauen. Bis weit nach 3 Uhr wird noch ausgelassen gefeiert, nie sahen beispielsweise Hip Hop-Tänzer krasser aus als wir in unseren Thun-Sachen (und Marina mit ihrem FCB-Schal natürlich). Okay, ein Petric-Trikot hätte vielleicht noch etwas mehr überzeugt, aber auch in Nächten wie diesen kann man nicht alles haben. Übrigens? der FC THUN IST VIZE-WINTERMEISTER!

Matthias Engel