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Massongex - Thun 0-8
23.10.2004Schweizer Cup 2004/2005


Samstagabend kurz nach 20.00. Die zugfahrenden Thunfans sind mittlerweile in drei verschiedenen Grüppchen unterwegs.
Drei Jungs fahren im Halbschlaf von Massongex Richtung Brig, eine schier endlose Reise mit 20 Zwischenhalten.
Vier Jungs passieren gerade die Eingangskontrolle im Tourbillon. Obwohl ich ganz harmlos aussehe, muss auch ich meinen Rucksack abtasten lassen. Dabei bemerkt der Security mögliche Wurfgegenstände. Ich muss meinen guten Willen zeigen und eine (von mehreren Bierflaschen) abgeben. Dann gehts hinein in den Walliser Hexelkessel. Servette führt gegen Sion bereits mit 1-0, doch die Walliser treiben ihre Mannschaft auch nach einer halben Stunde Spielzeit mit lauten Gesängen nach vorne. Immer neues Feuerwerk und immer neue Spruchbänder gehören zur bombastischen Stimmung natürlich hinzu. Fasziniert stellen wir uns im Heimsektor hinter dem Tor auf.
Die grösste Thuner Fangruppe steigt zu diesem Zeitpunkt in Lausanne auf den Schnellzug nach Bern um. Um 20.06 fährt der Zug los. Was die Fans nicht bemerken: Die ganzen Doppelhalter bleiben auf dem Perron zurück. Ein unglückliches Ende eines ansonsten tolles Tages!?
Um 9.44 hat die Reise ins Wallis für uns alle begonnen. Zehn Frühaufsteher irren zuerst durch den ganzen Zug, weil der Kondukteur felsenfest behauptet, im hinteresten Wagen habe es noch genügend Platz für eine ganze Gruppe. Selbstverständlich ein Irrtum. So stehen wir bis Spiez in einem engen Raum zwischen zwei Abteilen, bevor wir auf der Weiterfahrt nach Frutigen ein erstes Mal mit Bier und Fendant prosten. Da ist es 10.00, der definitive Startschuss zu einem süffigen Reisetag. Wobei die Fahrt auf Brig recht ruhig verläuft, noch wir nicht viel gesungen, sondern all die Sehenswürdigkeiten wie das Pfadihäuschen von Kandersteg oder die Kirche von Goppenstein bewundert.
In Brig ist schönstes Herbstwetter, weshalb wir kurzerhand den Bahnhofplatz in ein Fussballfeld verwandeln. Zwischen den beiden Strassen kicken wir uns immer wieder einen Ball zu, wobei auch schon mal ein Passant oder ein Autofahrer in die Partie verwickelt wird. Einen Schiedsrichter haben wir auch, einen heissblütigen Marroniverkäufer, der uns im urchigsten Walliserdütsch darauf hinweist, bloss ja nicht seine Marroniwaage zu zerstören, die sei nämlich ganz teuer.
Um 11.38 geht die Reise im Regionalzug weiter. Die lange Fahrt durchs Wallis von Brig nach Massongex dauert rund 100 Minuten. Es ist ein bunter Film, den die Überwachungskamera im Raucherabteil aufnimmt. Im Gang hängen Schweizer Fähnchen, am Fenster eine grosse Carlsbergfahne. Dazu wird lauthals gesungen. Zu unserer Enttäuschung treffen wir auf keine Walliser Originale, mit einer Aufnahme. In St. Maurice steigen wir bei einem kürzeren Aufenthalt aus und werden sofort von einem gut gelaunten Grosi begrüsst, dass unsere Fangesänge dirigiert und uns schliesslich sogar Bonbons spendet. Ob wir die Smarties wohl als Wurfgeschosse verwenden sollen? Ich putze derweil mit einem Besen und einem Wasserkübel die Fensterscheiben des Zuges.
Schliesslich kommen wir in Massongex. Es ist 13.14. Um 13.15 brüllt uns schon der erste Einfamilienhausbewohner aus dem Fenster an. Massongex ist sich wohl kein Lärm zur Mittagszeit gewohnt. Wir kaufen uns Bier, Chips und Wein im einzigen Dorfladen, einem Denner, warten auf dem Dorfplatz auf eine zweite Gruppe Fans und marschieren schliesslich Richtung Stadion.
Das Stadion entpuppt sich als kleiner Fussballplatz namens St. Jean. Die Stehrampen sind mit Holzpodesten leicht erhöht, neben einem Tor steht gar eine höhere VIP-Tribüne mit sechs Plätzen. Leider bemerken wir Thuner, dass diese Tribüne nicht für uns ist, wir werden nämlich heruntergewunken. Auf dem Stadiongelände bin ich nicht der einzige mit einer Weinflasche. Weisswein gibt es in Massongex nicht nur im Denner, sondern auch an den FCM-Verpflegungsständen. Ein weiteres Highlight ist das 2,50 Franken-Raclette. Auf meine Bratwurst muss ich dagegen bis zum Anpfiff warten, da der Grill zunächst nicht funktioniert. Dafür ist der Kartoffelsalat im "Menü" inbegriffen.
Fast hätte ich den Spielbeginn verpasst, was ein Fehler gewesen wäre. Denn die Thuneer starten überaus stark, sie wollen sich gegen den Zweitligisten keine Blösse geben. Und tatsächlich: Der erste richtige Schuss geht auch schon ins Tor, dank Dos Santos führt Thun in der 4. Minute schon 1-0, ein erstes Mal sind auf dem Fussballplatz Wechselgesänge von uns Fans zu hören.
Es ist ein eindeutige Partie, die schon in der ersten halben Stunde entschieden wird. Besonders in einer turbulenten Phase zwischen der 20. und 30. Minuten fallen die Tore fast im Minutentakt: Hodzic 2-0, Hodzic 3-0, Lustrinelli 4-0. Und bei uns fliesst der Weisswein in rauhen Mengen.
Man muss direkt Erbarmen haben mit den Einheimischen. Immerhin 800 Zuschauer, was mehr als der Hälfte der Dorfbevölkerung entspricht, müssen mitansehen, wir ihre "Stars" chancenlos sind. Kurz nach der Pause haben die Thuner ihre zweite starke Phase. 47. Minute Moser 5-0, 49. Minute Raimondi 6-0, 58. Minute Lustrinelli 7-0. Schliesslich schiesst Raimondi in der 75. Minute noch das 8-0, während ein weiterer Treffer vom Schiedsrichter aberkannt wird. Thun feiert einen Sieg mit vielen Toren, wobei Eastender nicht der einzige Fan sein wird, der die ganze Nacht lang über die Trefferzahl rätseln wird. "Thun hat doch 7-0 gewonnen, oder?"
Spontan entschliessen sich Eastender, Amador, Kevin und ich noch zu einem Besuch des Cuphits Sion-Servette, ohne zu wissen, ob es überhaupt noch Tickets gibt. Wir bereuen den Besuch nicht, der Match ist voller Emotionen und schöner Tore. Wir jubeln mit den Walliser mit, die nach einem 0-1- und einem 1-2-Rückstand die Partie noch umkehren können. 4-2 gewinnt Sion, wobei ich das letzte Tor nicht bemerke. Ich juble da bloss mit den anderen Fans mit, weil ich denke, der Schlusspfiff sei der einzige Grund zur Freude.
Um 22.29 fahren wir in Sion Richtung Lausanne los. Es ist wie nach so mancher Cuppartie ein Cisalpino, in dem wir unterwegs. Und einmal mehr haben wir Ärger. Klar finden wir keine Plätze, so bleiben wir halt an der Bar stehen. Wir bestellen alle vier ein Bier - bei der weltschlechtesten Serviertochter überhaupt. Die nimmt kurzerhand die 50er-Note, die ich auf die Bar lege und kassiert gleich den Betrag von vier Bieren ein. Das Rückgeld, über 30 Franken, gibt sie mir in drei grossen Kleingeldhaufen zurück, ohne Entschuldigung. Sie entschuldigt sich auch nicht, als sie bei der nächsten Kurve an der Bar anstösst und mir das Bier ausschüttet. Wortlos wirft sie mir eine Serviette hin. Das ist zu viel für meine Nerven, ich beschliesse daher, beim Halt in Lausanne ein Souvenir mitzunehmen. Doch sie bemerkt das und stürzt sich wütend auf mich. Dann soll sie doch ihren Ramsch behalten!
Es ist 23.25 und wir steigen in den Schnellzug nach Bern um. Kevin nimmt am Fenster Platz und zeigt plötzlich aufs Perron. "Sind das da nicht unsere Doppelhalter?" Blitzschnell geht er hinaus und kommt mit unseren Fanclubutensilien zurück - 3,5 Stunden, nachdem diese von unseren Fankumpanen vergessen wurden. Der Tag ist dank Kevin doch noch gerettet



Matthias Engel