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Servette - Thun 3-1
26.09.2004SuperLeague 2004/2005


"Mer beobachte euch mitem Feldstecher. Wenk mol!" Als ich kurz vor Anpiff dieses SMS von zwei Servettefans bekomme, bin ich noch in den Strassen Genfs unterwegs. Beim Singen wenige hundert Meter vom Stadion entfernt ahnen wir noch nicht, dass wir heute auch gescheiter einen Feldstecher mitgenommen hätten. Denn so ganz ohne Feldstecher ist an diesem Spiel zwischen dem Leader und dem Schlusslicht so einiges nicht zu erkennen.
Was aber würden wir rund 100 Thuner überhaupt finden im Stadion beim Blick durch den Feldstecher? Ein Matchmagazin, einen Totomat oder gar Bier mit Alkohol? Nein, all das gibt es im Stade de Geneve auch bei einem Feldstecher-Guck nicht, Sparen ist angesagt. Eine Anzeigetafel mit dem aktuellen Resulat könnte man aber mit einem Feldstecher weit oberhalb der Servette-Fankurve entdecken - von blossem Auge ist das Erkennen der beiden historischen Magnettafeln leider unmöglich.
Aber ein richtiger Fan zählt ja beim Toreschiessen der Spieler aktiv mit, schliesslich steht ja in unseren Reihen "ein Fan" (Originalbezeichnung im Thuner Tagblatt), der uns regelmässig den neuen Spielstand verkündet. Und das kann er heute zu unserer grossen Freude überraschend früh tun, bereits in der 5. Minute fällt das 1-0 für die Thuner. So ganz ohne Feldstecher sind wir uns in der Fankurve einig, dass Aegerter der Schütze ist. Doch unsere Augen täuschen, es war Lustrinellis Geschoss.
Thun führt in Genf, angesichts der Tabelle keine Überraschung und trotzdem eine ganz tolle Sache. Und schon pfeifen die ersten der immerhin 7000 anwesenden Grenats. Typische Schnef-Atmosphäre diese Saison.
Doch die Thuner Führung hält nicht lange Bestand, nach rund 20 Minuten erzielt einer der Ausländer-Genfer das 1-1. So ganz ohne Matchmag finden wir aber nicht heraus, welcher der 37 Neueinkäufe der aktuellen Saison der Torschütze gewesen ist.
Im weiteren Spielverlauf scheint es dann fast so, als wäre Servette wirklich eine gute Mannschaft. Für einmal sind nicht nur Einzelleistungen zu sehen, sondern superleaguetaugliche Spielkombinationen. Servette ist ganz schön in Form und setzt Thun unter Druck. Doch ein wahrer Leader lässt sich auch auswärts nicht vom Gegner beeindrucken, so das es nach 90 Minuten immer noch 1-1 steht.
Doch dann folgt das "Chaos von Genf". Habe ich mit Michu soeben noch über die Fairplaytabelle diskutiert, zeigen Genfer Spieler und Fans sogleich, wie scheissegal ihnen doch Fair Play im Sport ist. Als Jorge Valdivia, diesen Namen haben wir uns gemerkt, in der Nachspielzeit das erlösende 2-1 für die Platzbuben schiesst, dreht er vollkommens durch. Er reisst sich das Trikot vom Leib, spurtet auf die Eckfahne zu und reisst sie aus dem Boden, wobei sie (was nur Feldstecher und Fernsehkameras sehen) am unteren Ende zersplittert. Dann springt er über die Abschrankung hinter dem Thuner Tor und rennt laut johlend an den Servettefans vorbei, bis er schliesslich wieder auf den Platz hüpft. Dort zeigt ihm der schwache Schiedsrichter Circhetta die Rote Karte. Was macht da der Servettespieler? Er fängt eine Welle mit dem Tribünenpublikum an und schlendert dann lässig vom Platz.
Latour ist da weniger lässig, noch verbleiben zwei Spielminuten und Thun möchte doch wirklich noch spielen und punkten. Doch inmitten des Genfer Chaos ist nicht an Weiterspielen zu decken. Nun zeigt aber der Schiedsrichter die Rote Karte nicht etwa dem idiotischen Servette-Betreuerstab, welcher immer noch die Eckfahne hat, sondern dem genervten Latour. Dieser muss also auf die Tribüne und wird dabei vom gehässigen Tribünenpublikum mit Bierkartons und Abfall beworfen. Eine Petflasche trifft ihn gar am Kopf - wie erneut Feldstecher und Kameras zeigen. Doch dem Schiri ist das egal, er will nun weiter spielen lassen. Ohne Eckfahne notabene!
Ein Servettebetreuer rennt dann schliesslich mit der Fahne zum Cornerpunkt und steckt sie wieder ein. Doch die Fahne ist ja kaputt und liegt logischerweise kurz nach Wiederanpfiff bereits wieder auf Rasen. Erneuter Spielunterbruch.
Bei so viel Chaos können sich die Thunspieler natürlich nicht mehr auf den Match konzentrieren, so dass durch einen weiteren unbekannten Servettezugang noch das 3-1 fällt. Thun hat verloren, bleibt aber trotzdem Leader.
Die Liste, was man trotz Feldstecher nicht im Stade de Geneve findet, lässt sich nach dem Spiel ergänzen: Faire Fans, gute Schiedsrichter und Thuner Punkte.

Matthias Engel