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HSV - Thun 3-1
24.07.2004UI-Cup 2004/2005


Gar nicht so einfach, für einmal die Fanreise nicht nur in Buchstaben, sondern auch in Bildern zusammenzufassen. Aber bei meinem ersten Einsatz als offizieller Fly Agaric Fotograf versuche ich den 1000 Kilometer langen Weg von Thun nach Hamburg auch fotografisch festzuhalten. Dumm nur, dass der Akku der Kamera nach über 100 Bildern leer ist und die Kamera plötzlich keinen Wank mehr macht - und dies schon kurz nach Anpfiff.
Es ist eine ereignisreiche Fahrt nach Hamburg, ganze 26 (!) Stunden vor der angekündigten Spielzeit bestelle ich mir im Open-Air-Bahnhofbuffet in Thun das erste Bier. Ab diesem ersten Schluck Freibier bin ich während mehreren Tagen recht beschwipst. Immer wieder ein schönes Lebensgefühl.
Gut gelaunt starten rund 25 Fans um 19.18 die grosse Reise Richtung Norddeutschland., während andere wie auch René und Laura längst dorthin geflogen sind. Noch vor Bern wird bei unserer kultigen Zugfahrt erstmals richtig Stimmung gemacht, ruhig ist es rund um unsere Plätze eigentlich bis am nächsten Morgen nie. Besonders laut gesungen wir auf der Strecke bis Mainz, besonders als kurz nach der Grenze feststeht, dass Basel gegen Xamax nicht gewonnen hat. Schnell rechnen wir aus: Falls Thun am Dienstag gegen Aarau spielt und gewinnt, würden sie erstmals in der Vereinsgeschichte die Tabellenführung übernehmen. Eine schöne Vorstellung, doch eigentlich möchten wir ja lieber nächste Woche in Villareal spielen.
Nach Mainz sitzen (von liegen kann keine Rede sein) wir in Ruhewagen. Doch immer noch ist genügend Bier vorhanden, um all die Müdigkeit wegzuspülen. Die meisten Fans schlafen daher zwischen vier Stunden und ein paar wenigen Minuten. Wer genau wie sehr schlaflos ist, zeigt dann erst der nächste Tag.
Manch ein Gesicht zeigt jedenfalls viel Müdigkeit an, als wir kurz vor 7.00 leicht verspätet Hamburg erreichen. Im von Philips gesponseren Bahnhof (hiess der früher wohl auch Volksparkbahnhof?) ist auch Samstagmorgen viel Volk unterwegs. Schliesslich fahren ja hier auch rund um die Uhr Züge nach Kopenhagen, Kiel und Interlaken Ost. Als Morgenhäppchen geniessen wir einen Bremer, ein Frikadellensandwich um genau zu sein.
Dann gehts los in die U-Bahn, die seltsamerweise zumindest Richtung St.Pauli vorwiegend oberirdisch fährt. So haben wir weit mehr Aussicht als erwartet. Und noch eine positive Überraschung: Die Zimmer in unserem gemütlichen Hotel Commodore an der Budapester Strasse sind schon am Morgen statt wie eigentlich abgemacht am Nachmittag bezugsbereit, weshalb wir Hamburg frisch geduscht statt nach Alkohol stinkend besichtigen können. Die Stadtbegehung fängt übrigens gleich auf der anderen Strassenseite an. Denn dort ist das Millerntor, die Heimstätte vom FC St.Pauli.
Den Vormittag verbringen wir am Hafen, wir wollen eine Hafenrundfahrt machen. Doch noch vor Ablegen gibt es Zoff mit dem Kapitän. Wahlweise verkauft der nämlich zum Preis von 1,50 Euro Cola-Flaschen in 0,2 oder 0,33 dl-Grösse. Da ausgerechnet ich einer der Betrogenen bin, reklamiere ich natürlich lauthals. Doch er grinst nur: "Eigentlich habe ich immer nur die kleinen Flaschen an Bord. Und die sind mir halt jetzt ausgegangen, find dich damit ab." Und kaum drehe ich mich um, verkauft er schon wieder "grosse" Flaschen. Mein Gefluche nützt aber schlussendlich schon, ich bekomme eine zweite Cola Gratis. So macht die Schiffstour entlang des weitläufigen Hamburger Hafengeländes doch Spass. Eindrücklich all die Schiffe und Speicher. Ein Schiff wird vor unseren Augen gar getauft, doch wir sind vor allem von einem Kahn mit der Aufschrift "Matador" beeindruckt. Doch ausgerechnet der ist wie ein paar andere auch im Hotel geblieben.
Doch beim Mittagessen am Hafen sind wir wieder alle zusammen. "Körperlich" jedenfalls. Michu schläft nämlich am Tisch ein und lässt sich nicht einmal durch das Klingeln seines Handys richtig wecken, während auch Christine ganz erschöpft blinzelt. Dabei haben wir doch erwartet, dass gerade sie im Land ihrer geliebten Deutschen munter ist. War wohl nichts.
Am Nachmittag schlendern wir spontan ins Bett oder durch Hamburg. Stufi, Santoso, Küsu und ich besteigen gar eine grosse Kirche. Eine überaus anstrengende Besichtigung, die uns ganz schön ausser Atem kommen lässt. Aber wir wollen schliesslich auch mal Erfolgs-Höhenluft schnuppern. Dumm einfach, wenn man wie ich Höhenangst hat und nicht ans Geländer lehnen kann. Jedem seine Psychose.
Um 16.00 gehen wir Thunfans dann alle als Grossgruppe Richtung AOL-Arena los. Erst marschieren wir ganz langsam durch die Reeperbahn, dann gehts mit dem Zug weiter, bevor uns ein Shuttle-Bus vor den beeindruckenden Fussballtempel fährt. Dort gibt es erste freundliche Begrüssungen mit HSV-Fans und einen kleinen Krach zwischen den Thunern. Wir werden uns nämlich nicht einig, an welchem Schalter wir denn nun unsere Tickets kaufen sollen. Schliesslich entscheiden wir uns aber doch ganz einfach für die Kasse vor dem Gästesektor.
Nach kurzer, aber strenger Eingangskontrolle, stehen wir dann endlich in der Arena. Ein sagenhaftes Stadion. Wie lästert doch ein HSV-Fan: "Ihr habt doch sicher noch nie in einem solchen Stadion gespielt." Er hat recht. Schade, dass das Stadion aber doch "nur" mit 27'000 Zuschauern gefüllt ist. Der bisherige FC Thun-Rekord von 30'000 Fans bei einem Spiel der ersten Mannschaft (in Basel war's natürlich) bleibt somit bestehen.
Gemütlich ist so ein Stadion aber nur, wenn es schön geschmückt ist. So hängen wir unsere Fahnen auf - nach deutschem System. Wir dürfen die Fahnen nicht im eigenen Sektor, sondern nur in benachbarten Sektoren am Gitter aufhängen. Verstehe das, wer wolle. Aber Angst zur Unruhe besteht deswegen nicht. "In Hamburg ist noch nie eine Fahne weggekommen", erklärt einer der gelben Securitymänner.
Irgendwie mag ich aber der guten Arbeit der Stadionsicherheit gar nicht so trauen, denn erstens fängt das Spiel wegen Problemen am Eingang erst mit fast zehn Minuten Verspätung an und zweitens singen ausgerechnet in unserem Sektor besoffene HSV-Fans ihre Lieder. Erst nach drei langen Gesprächen werden die blauen Jungs von den gelben Männern in eine andere Ecke im Stadion geführt.
Da liegt der HSV längst in Führung, trifft doch unser "Lieblingsspieler" Romeo bereits in der 2. Minute zum 1-0. Ausgerechnet da juble auch ich, habe ich doch gemeint, das Tor werde vom Schiedsrichter aberkannt. Doch immerhin annuliert der Schiedsrichter aus Frankreich später zwei andere vermeintliche HSV-Tore.
Das Schiedsrichtertrio pfeift thunfreundlich. Doch diese "Unterstützung" lässt das Thunspiel auch nicht besser aussehen, in der ersten Halbzeit kommt der HSV zu einem Dutzend guter Chancen, während die Thuner kein einziges Mal auf das gegnerische Tore schiessen.
Erst nach der Pause kommt Thun besser ins Spiel, weil sich der HSV nun etwas weniger offensiv zeigt. So können die Fans noch hoffen. Ausser Andy, der im Irrglauben, es stehe nach 47.Minuten bereits 2-0, für einen grossen Teil der zweiten Halbzeit im Stadion untertaucht. Als er schliesslich zurück ist, sieht er dummerweise gleich das echte 2-0. Mpenza schiesst in der 67.Minute das verdiente Tor. Und Romeo erhöht in der 72.Minute gar auch 3-0. Man könnte diese Aktion allerdings auch als Thuner Eigentor werten.
Das Spiel ist nun entschieden, im Gegensatz zu einigen äusserst leisen Momenten zuvor toben nun die Fans im Stadion. Mehrmals kreist die Welle durchs Stadion, wobei wir Thunfans natürlich mitmachen. Die allgemeine Feierstimmung klingt erst wieder ab, als Ädu Moser in der 81.Minute das 3-1 erzielt. Da jubeln wieder nur wir. Genialer Moment, auch wenn die Niederlage und somit das UI-Cup-Aus nicht mehr abgewendet werden kann.
Viel Stimmung gibt's dann auch abends. Erst vergnügen wir uns kurz auf dem Rummel und dann vor allem auf der Reeperbahn. Die Vergnügungsmeile gefällt mir, anders als befürchtet, sind die Gassen nicht voller Ballermann-Schreihälse. Die ab 18-Jahren-Vergnügen sorgen für ein erwachsenes und ruhig-freundliches Publikum zumindest in dieser Nacht. Dumm nur, dass sich die Schönheit, die mir im McDonalds auffällt, wenig später in der Gasse als leichtes Mädel entpuppt. Immerhin spricht sie mich an und nimmt mich ganz nett an der Hand. Doch zu mehr "Romantik" kommt es nicht, wir sind vor allem in Trinklaune. Bis fünf Uhr morgens singen und lachen wir in Pauli, auch schon mal mit HSV-Fans oder englischen Touristen. Bei Tagesanbruch erst schlendern wir zum Hotel zurück. Da bleiben Amador und ich noch kurz auf der Hoteltreppe sitzen, als plötzlich ein Polizeiwagen vorfährt. Der Bulle steigt aus und kommt zu uns. Da mein Kollege am Telefon ist (klar um diese Zeit!), werde halt ich schnell mal verhört. Ob mir denn ein 30- bis 40-jähriger Mann in den letzten 15 Minuten aufgefallen sei. Wahrheitsgetreu antworte ich: "Mir sind nur zwei 20-jährige Mädels aufgefallen."
Nach vier Stunden Schlaf naht der Abschied vom schönen Hamburg. Mit der U-Bahn gelangen wir wieder zum Hauptbahnhof, dort fährt unser Zug nach Zürich um 10.24 ab. Die Rückreise steht unter dem Motto "1000 Kilometer Bier", nehmen doch die ersten von uns schon bei der Abfahrt Platz im Speisewagen. Erst ist die Stimmung nicht allzu gut, will doch Kellner Mohamed lieber abwaschen, als uns bedienen. Als ich zehn Minuten vergeblich an der Theke auf ihn gewartet habe, rufe ich mal laut "Hallo". Sicher nicht nett, doch der Fingerzeig hilft. Bald habe ich ein Bier, wenig später auch meine erste von zwei äusserst feinen Leberkäsportionen.
In den Stunden quer durch Deutschland feiern wir manche Bierrunde, unsere Schätzungen belaufen sich bei je nach Zeitpunkt elf bis dreizehn "Teilnehmern" auf gegen 200 getrunkene Biere. Da ist gute Laune natürlich klar. Alte und neue Lieder werden gesungen und es wird über mögliche neue Fangruppierungen diskutiert. Gibt es zum Beispiel schon bald eine 100-köpfige Uebeschi-Gruppe? Einzig Kevin ist da nicht mehr dabei. Weil er trotz anderer Abmachung mit unserem Reiseleiter Mitzu dem Kondukteur sagt, er sei nicht Teil unserer Reisegruppe, bekommt er eine ICE-Benutzungsstrafe aufgebrummt. Nach seinen Reeperbahnerlebnissen hat Kevin aber nicht einmal mehr 15 Euro, weshalb er in Hannover ohne unser Wissen aus dem Zug stürmt. So lassen wir ihn - hoffentlich nicht für immer - in Deutschland zurück.
Die Reise nach Hamburg bleibt uns anderen als geniales und einmaliges Ereignis in Erinnerung. Mit ungefähr 300 Bilderinnerungen, die irgendwann in den kommenden Tagen im Internet auftauchen werden.

Matthias Engel