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Aarau - Thun 1-2
15.05.2004SuperLeague 2003/2004


Dieser Spielbericht wird von mir persönlich markiert als Erinnerung an einen der schönsten FC Thun-Tage überhaupt. Ein würdiger (Auswärts-) Abschluss für eine Saison voller unvergesslicher Fanfahrten.
Bereits um 12 Uhr Mittags treffen Sanel, Andy und ich uns am Bahnhof Thun. Bevor wir in den Zug steigen, testen wir die derzeitige Thuner Fussballeuphorie, in dem wir die ganze Innenstadt in ein Fussballterrain verwandeln. Mit einem kleinen roten Ball kicken wir in der Bahnhofhalle, im Manor, im McDonalds und auch im Bälliz vergnügt herum. Und wenn unsere grundsätzlich genialen Pässe mal nicht bei einem Mitspieler, sondern vor den Füssen eines Passanten landen, spielen die mit ganz wenigen Ausnahmen gut gelaunt mit.
Doch eine Fanfahrt will natürlich auch ernsthaft vorbereitet sein. So steht auch ein Sockenkauf für Sanel auf dem Programm, dessen seine eigentlichen weissen Socken sind natürlich für eine Fahrt ins Rüebliland nicht zu gebrauchen.
In schwarzen Socken fahren wir so nach Aarau, wo wir um 15 Uhr eintreffen. Zeit genug für einen aufschlussreichen Streifzug durch die Stadt.

Erste Erkenntnis am Bahnhof: Es ist selbst für drei assoziale Thunfans nicht möglich, gegen sämtliche Punkte der Bahnhofordnung zu verstossen. So ohne Hund und ohne Velo gilt man automatisch als brav.
Zweite Erkenntnis in einem Comicshop: Obwohl unsere Welt voller Hass ist, gibt es keine wirklichen Beleidigungskarten im Grusskartensortiment. Als uns selbst die Verkäuferin nicht weiterhelfen kann, verschieben wir das Karteschreiben an den verletzten Gügi auf einen späteren Zeitpunkt.
Dritte Erkenntnis: In Aarau gibt es nur bei der Hauptpost einen Postomat, was zu einer langen Schlange davor führt. Wir haben jedoch keine Geduld und überlegen uns andere Möglichkeiten, um an Geld zu kommen. Wir legen deshalb unseren Amstel-Hut auf die Strasse und sammeln als Strassentroubadure Geld. Noch mit FC Thun- und Anti-Rübeliland-Fangesängen lässt sich in Aarau erstaunlich wenig Geld verdienen. 5,70 Franken werden uns gerade mal gespendet.
Vierte Erkenntnis: Es gibt einen (Fussball-) Gott. Eine ganze Stunde lang diskutieren wir mit der lieben Anna beim Citymärt über Gott und die Welt. Es ist übrigens am Schluss Anna, die vom Gespräch genug hat und sich mit einer 5 Franken-Spende "freikauft". An den Match will sie nicht kommen, sie hat sich schon bei einem Jesus-Tanzfestival angemeldet.
Fünfte Erkenntnis: Wenn eine Aargauerin ausnahmsweise keine weissen Socken trägt, hat sie alle Mühe, als Angehörige ihres Kantons anerkennt zu werden. So geht es wenigstens Conne und Stephi, die am 16.30 zu uns singenden Thunern stossen. Während Stephi extra noch ein Aargau-Jäcklein trägt, hört man besonders von Conne immer wieder den Satz. "Mer send ned Berner."

Im Stadion sind dann gegen 80 Thunfans. Die Choreo ist ein Meer von Spruchbändern, wobei ich die Sätze nicht lesen kann. Beim Lesen können mir auch Conne und Stephi nicht weiterhelfen, die immer wieder den Totomat bejubeln. So ein 2-1 von YB gegen St. Gallen ist halt schon ganz gut wenn man ein Servettefan mit einem Thuntrikot am Arsch ist! Nein im Ernst: Das Erreichen des Uefa-Cups ist natürlich schon eine tolle Sache für Servette, herzliche Gratulation von mir. Besonders dann, wenn die beiden einzigen Servettefans im ganzen Stadion entsprechend gut gelaunt den ganzen Match hindurch bei Gesängen und Fahnenschwingen voll mitmachen. Da übersetze ich noch so gerne alle englischen Liedern wie "Los geits Thuner, los geits!" "Löit ihn la stärbe, löit ihn la stärbe", "Es gits nume ei Miliam Rama, ei Milaim Rama..."
Doch nicht Ramagesänge sind heute gefragt, sondern Raimondirufe. Dass bei seinem tollen Einstaz heute nicht öfters das "Supermario" ertönt, ist mir ein Rätsel. Schon nach wenigen Minuten bezwingt er Colomba fast, ein zweiter Weitschuss landet nach 28 Minuten im Tor. 1-0 für Thun.
Thun ist überhaupt besser in der ersten Halbzeit. Ein Vorentscheid wäre möglich. Doch der Schiri bringt den FCA zurück ins Spiel. Er pfeift er ein klares Hands eines Aarauers im eigenen Strafraum nicht, wenige Minuten später belohnt er dafür auf der Gegenseite eine Aarauer Schwalbe mit einem Penalty. So stehts nach 43 Minuten völlig unverdient 1-1, Citko ist der Schütze.
Nicht alle Thunfans fühlen sich da wohl in ihrer Haut. Andy sowieso nicht, der bemerken muss, dass das lange Sitzen auf dem Zaun schlechts fürs Arsch und auch schlecht für die Hosen ist, die zur Pause voller Löcher sind. Depp des Tages ist aber Kevin, der in seiner Wut über den Schiri ein Kartonstück aufs Spielfeld wirft. Was bei YB-Biertrinkern üblich ist, sorgt bei Thunern Fans für rote Köpfe. Es kommt kurz zu einem Handgemenge rund um Kevin und kurz scheint es gar so, als wolle Laura Kevin verprügeln. Aber alles halb so wild, ganz schnell haben sich wieder alle lieb.
In der Pause sorgt eine Aussage des Speakers für Aufregung. Wie schon am Mittwoch (und vor zwei Jahren auch am FC Thun-Aufstiegstag!) stimme der Totomat im Brügglifeld wieder einmal nicht. Heutiger Grund: In Aarau seien die Telefonleitungen tot. Wir singen wir Thuner doch da "Brügglifeld, dritte Welt..." Wie aber steht es denn nun bei Wil-Xamax, wenn das 1-0 nicht stimmt. "Wil führt 2-0!" jubelt der Speaker und bald jubelt das ganze Stadion. Der Ligaerhalt ist für den FCA in Griffnähe gerückt.
Diese Meldung beflügelt nun die Aarauer Spieler, in der zweiten Halbzeit sind Bieli und Co. vehement am Drücker. Doch die spielerische Überlegenheit können sie nicht Tore umsetzen. Nicht zuletzt auch deswegen, weil die Thuner hinten gut spielen. Besonder Ferreira ist mit seinen harten Zweikämpfen eine Augenweide. Nach zwei harten Fouls und (erst) einer gelben Karte ist er zwar klar rotgefährdet, doch macht der Thuner auch ordentlich Eindruck auf seine Gegenspieler.
Und dann kommt in der 85. Minute die grosse Stunde aller (drei) Isreal Rodriguez-Fans unter den Thunern. Der Baumstamm wird eingewechselt, rennt in nach vorne und stolpert über einen Weitschuss. Der Ball wird dabei so glücklich abgefälscht, dass er im Tor landet. 19 Sekunden steht da Rodriguez auf dem Platz. Und damit nicht genug, in der Minute darauf rettet er in der Defensive mit einem tollen Zweikampf die drei Punkte.
Isreal ist nun auch hinten wichtig, sieht doch Ferreira in der 88. Minute tatsächlich noch Rot. Aber das interessiert nun auch keinen mehr im Stadion, denn Thun gewinnt 2-1 und Aarau schafft dank einem 3-0 von Wil den Ligaerhalt. Prompt stürmen Hunderte Aarauer (nach Abpfiff!) das Spielfeld und feiern erst mit ihrer Mannschaft, dann aber auch mit uns Thunfans. Die Aarauer starten plötzlich nämlich eine Polonaise in der Spielfeldmitte und tanzen zu uns hinüber. Und so kommt es, dass Aarauer und Thuner gemeinsam jubeln und zusammen auch mehrmals die Welle machen. Ein Hühnerhautmoment. So muss Fussball sein. Wie sage ich doch gut gelaunt: "Das ist eine wahre Meisterfeier." Es muss wohl nicht erwähnt werden, dass der Platzsturm ohne Sachbeschädigungen abläuft.
Nach dem Spiel will Conne noch unbedingt Ädu Moser treffen. So gehts halt zum Thuner Mannschaftsbus. Nachdem ich recht laut hineinrufe, kommt den Moser auch für einen kurzen Fototermin heraus. Und so fotografiert Stephi Conne+Ädu und Conne fotografiert Stephi+Ädu. "Gsehsch de gnuä zum Fötele?" "Ja, i gsehn euch scho." Und sofort wundert sich Ädu, dass die beiden hübschen Fans doch gar nicht Berndeutsch sprechen. Vielleicht gibt es ja ein Wiedersehen am Familientag.
Der Abend ist dann noch lange nicht zu Ende. Bis in die Morgenstunden wird weiter gefestet, wobei die Strecke Aarau-Olten wegen gemeinsamem Schnupfen und Singen mit Aaraufans besonders viel Spass macht, während die Strecke Olten-Bern so ganz ohne Bier der einstündige Tiefpunkt des Tages ist. Aber so lang man als Thunfan keine andere Sorgen hat, ist ja gut.

Matthias Engel