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Thun - Wil 3-0
01.12.2002NLA Qualifikation 2002/2003


Happy Hour in Thun. Im wahrsten Sinne des Wortes. Zur Feier der geschafften Finalrundenqualifikation gibts eine halbe Stunde lang am Bierstand immer die doppelte Anzahl Getränke. Das heisst saufen, saufen, saufen. Insofern komme ich mit der Zeit zu einem engen Kontakt mit dem Fräulein am Stand, das süss und nett ist, jedoch die Augen etwas gar zu blau geschminkt hat. Dafür füllt es den Bierbecher jeweils bis zum äussersten Rand auf. Nur verschütten sollte sie diese Extrazugabe nicht sogleich wieder.
An einem Tag wie diesem kennt der Thun-Fan aber keinen Ärger. Man ist ganz einfach in Feierlaune und jubelt auch schon mal vor dem Spielbeginn. Die rund 30 Wiler-Fans sind es, die dagegen sauer sind. Auf ihren Präsidenten Hafen, klar. Kein Grund zur Freude zu wissen, dass vier Jahre lang mit zehn Millionen gestohlenen Franken sämtliche Erfolge ergaunert wurden. Wie heisst es doch auf einem gelungenen Wil-Plakat so treffend: "Für eine saubere Ostschweiz!" Wir singen in Ahnlehnung an den Milionen-Skandal ab und zu ganz schön fies "UBS! UBS!", aber sonst kümmern wir uns nicht gross um die Wiler Probleme. Denn wie gesagt: Wir sind zum Festen da.
Oder zum Interview geben. Selbst wir Fans sind in diesen Tagen des Erfolges gefragte Leute. So will Sandro Genna, der rasende Reporter vom Thuner Tagblatt allerhand über meine Gefühle an diesem so tollen Tag wissen. Schweierig, schwierig. Ich erkläre das Spiel kurzerhand zum schönsten Fussballerlebnis seit Maradonna im Mai 1990 mit der argentinischen Nationalmannschaft gegen Thun gespielt hat, aber irgendwie stimmt dieser Vergleich so wenig wie jeder andere, den ich hätte aufsagen können. Es ist schlichtweg Glück, derzeit Thun-Fan zu sein.
Gut gelaunt erleben wir die ersten Spielminuten mit, Rama hat schon eine erste grosse Torchance, doch trifft er (noch) nicht. Doch wenig später rennt er erneut nach vorne. Hier ein Pass, da ein Pass, Streller am Ball. Tor, 1-0, ganze 7. Minuten sind da gespielt. Und alle Thuner, egal ob Spieler oder Fans sind wieder einmal im Torrausch.
Bei all dieser Freude fehlt es oftmals schwer, Unterschiede zwischen nüchternem und angetrunkenem Zustand zu erkennen. Man nimmt das Spiel war und irgendwie doch nicht. Emotionale Szenen wirken völlig verstärkt, Ballgeplänkel werden dagegen gar nicht mehr richtig wahrgenommen. Wir sehen, wie hier Kobel den Ball abwehrt, wie da Rama oder ein Sturmkollege mal wieder verschiesst, wie Wil-Trainer Peischl schnell mal zwei Mann auswechselt. Wr sehen Wil-Fans in ihrem Sektor recht laut brüllend - vor Frust! Und vor allem sehen wir: Thun gewinnt diesen Match.
Ein gewiss arrogantes Gefühl, doch vor Pause ist nach der Pause, Thun spielt konzentriert überlegen. Die Verteidigung, obwohl mit Fahrni, Balmer, Stettler statt Heinz Moser, Deumi, Hodzic antretend, lässt selten einen Ball auf Kobel zukommen. Eine herausragende Leistung dort hinten. Und vorne brillieren die Stürmer, allen voran Rama. Zwei Tore schiesst er in der zweiten Halbzeit, eines nach einem Freistoss, eines nach einem raschen Antritt. So ist schliesslich 3-0. Wir liegen uns in den Armen. Nicht zuletzt, weil sich der FC Thun bei gleichzeitiger YB-Niederlage Platz 3 in der Tabelle zurückerobert hat.
Stellt sich zu Spielschluss die Frage des Feierns. Speaker und Security ermahnen uns, das Spielfeld nicht zu stürmen. Wir Fans beim Olympiator versprechen dies und halten Wort und auch die Aebikurve- und Red Lions-Fanecken bleiben mal ganz brav. Ein weiser Entscheid, können wir doch so eine Ehrenrunde von Latour und dem ganzen Betreuerteam miterleben. Ein weisses Transparent mit dem tollen Wort "Danke" tragen sie durchs Stadion. Ebenfalls unterwegs an allen Fans vorbei sind die Spieler. Gemeinsame Welle, gemeinsamer Jubel - der Fussballnachmittag ist und bleibt eine einzige Happy Hour.

Matthias Engel