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Xamax - Thun 0-1
23.11.2003SuperLeague 2003/2004


Ich stehe in einem Fussballstadion. Und doch weiss ich, dass ich träume. So seltsam und bizarr, wie dieser Stadionbesuch anmutet, kann die Fussballrealität gar nicht sein. Während ich mich im Bett gewiss hin und her wälze, erlebe ich scheinbar einen wahnsinnig aufregenden Fussballmatch. Ich weiss genau, dies muss ein Alptraum sein. Der Hauptgrund für meine Vermutung: Während alle um mich herum besoffen sind, bin ich absolut nüchtern. Ich habe so überhaupt keine Lust auf ein Bier. In was um Himmels willen für ein ausgetrocknetes Leben habe ich mich da bloss verwandelt?
Weitere Anzeichen deuten auf einen Alptraum. So ist das ganze Stadion, es muss die Maldiere in Neuenburg sein, in dicken Nebel gehüllt. Weder die roten Thunspieler, noch die roten Xamaxiens kann ich wirklich erkennen, den weissen Ball sehe ich gar nie. Dagegen leuchtet das gelbe Trikot eines hageren Mannes die ganze Zeit auf. Das ist der Schiedsrichter, ausgerechnet Guido Wildhaber, der uns Thunern doch vor einigen Monaten den Derbysieg im Neufeld gestohlen hat. Kein Wunder, dass da wir Thunfans - in diesem Traum sind wir fast 100 Stück im hoch eingezäunten Gästesektor - ihn schon vor Anpfiff laut auspfeiffen.
Wie das Spiel in der ersten Halbzeit genau verläuft, weiss ich nicht so recht. Der Ball bleibt fast vollständig verschwunden im Nebel, die Thunspieler schieben ihn wohl die ganze Zeit im Xamaxstrafraum hin und her. Da ihr Jubel ausbleibt, treffen sie das Tor aber ziemlich sicher nie.
In der zweiten Halbzeit springt dann der Xamaxgoalie direkt vor unseren Augen auf und ab. Endlich sehen wir unsere Thunspieler, sie spielen überlegen. Doch immer wieder werden sie bei ihren Angriffen von den Beinen geholt, die Neuenburger spielen äusserst unfair. So verteilt selbst Wildhaber, der doch absolut nicht als Thunfan bekannt ist, gleich an acht Xamaxspieler eine Gelbe Karte. Das ist in Anbetracht der bösen Xamaxfouls aber viel zu wenig, wir fordern spätestens nach der zweiten groben Tätlichkeit eines Welschen eine Rote Karte. Vergeblich.
Da rennen die Thuner wieder auf den Xamaxgoalie zu. Der Angriff scheint viel versprechend. Da kommt der Ball zu Rama, er schiesst ein. Tor. 1-0 für Thun. Wir jubeln laustark, doch nicht lange. Plötzlich fliegen Bierbecher und Papierknäuel auf das Spielfeld. Schiri Wildhaber hat das Tor doch tatsächlich aberkannt. Der Grund ist mir nicht klar. "Ein Offside ist das aber nie und nimmer gewesen" sage ich wie alle anderen Thunfans auch.
Nun ist minuntenlang die Hölle los mitten im Nebel. Wir brüllen geradezu gemeingefährlich und sehen plötzlich grimmige Securitymänner vor uns. Es kommt zu lauten Wortgefechten, worauf die blauen Männer wieder wegzotteln.
Auf den Spielfeld zeigt sich immer noch das selbe Bild. Ab und zu ist der Ball für einige Sekunden im Nebel verschwunden, was auf ganz wenige Xamaxchancen schliessen lässt. Doch grundsätzlich sehen wir den Ball immer nur an Thuner Füssen. Schuss um Schuss fliegtRichtung Tor, doch entweder treffen die Thunr das Tor nicht oder der Xamaxgoalie wehrt in extremis ab.
Das Spiel scheint endlos zu dauern. Irgendwie sind sicher schon 100 Minuten gespielt, im Nebel schwindet jedes Zeitgefühl, doch Wildhaber pfeifft scheinbar ab. Bin ich etwa in dieser Hälle voller Nebel, bösen Xamaxattacken und unzähliger Thunfehlschüssen für immer gefangen. Ich habe langsam Angst, ich will doch aufwachen.
Da plötzlich, ein Pass von Renfer zu Rama und der trifft. 1-0 für Thun. Ein Déjà-vu, wird Wildhaber das Tor wieder nicht geben? Nein, der Treffer zählt, Thun führt und gewinnt nach wenigen weiteren Spielszenen tatsächlich. Der Alptraum scheint ein gutes Ende zu nehmen.
Da verlassen wir das Stadion. Draussen hat es eigenartigerweise keinen Nebel mehr. Dafür lungern hier seltsame Xamaxfans herum. In meinen Erinnerungen waren die doch immer so nett, doch in diesem Alptraum werden sie handgreiflich, schubsen, schlagen und brüllen. Es kommt zwar zu keiner Schlägerei, aber ich empfinde dies alles als grosses Ärgernis.
Dann bin ich bald einmal im Bahnhof Bern und um mich herum drei schöne Servettefans. Ich habe aber Mühe, mit ihnen ins Gespräch zu kommen, haben sie doch gerade Servettspieler am Handy. Als sie gerade mit Comisetti schwatzen, stimme ich den Schlachtgesang "Schwule Comisetti" an. Ich bin scheinbar stark eifersüchtig in diesem Traum. Schliesslich beenden die Girls das Telefon schwatzen nun endlich vergnügt mit mir. Immer wieder werden wir aber von nervigen YB-Fans unterbrochen. "3-0" singen die spöttisch den Servettiens zu. "Swisscom-Cup" singe ich spitzfindisch zurück.
Schliesslich sitze ich alleine im Zug und singe alleine Thungesänge vor mich hin. Was für ein seltsamer Traum, endet der denn nie? Zur Sicherheit kneife ich mir ihn den Arm. Und plötzlich merke ich ganz erschrocken: Ich träume ja gar nicht, das alles ist wirklich passiert...

Matthias Engel