Thunfans » Spielberichte » UI-Cup 2003/2004 » 1.FC Brno - Thun
1.FC Brno - Thun 1-1
12.07.2003UI-Cup 2003/2004


"Mir si vo Thun, das liegt ar Aare, mir si vo Thun, das liegt ar Aare, mit Lüdi Car da wöi mir fahre, mit Lüdi Car da wöi mir fahre..."
Andys Thuner Sprüchli tönt an diesem Wochenende einmal ganz anders, sind doch beinahe alle Thunfans im Car statt im Zug unterwegs. Einzig zwei Supporter reisen mehrtägig mit Flugzeug und Zug in Osteuropa umher, ein bisschen gar (zu) viel Einsatz.
Um zehn Uhr abends startet für die restlichen elf Thunfahrer (oder sind wir nun gemäss Reiseziel Brno- oder gar Breclavfahrer?) ein Car mit rund 40 komfortablen Sitzplätzen und 140 Fläschen kühles Bier. Beste Voraussetzung also für eine feucht-fröhliche Party. Zu Cds von Flöru Ast und Patent Ocshner wird lauthals gegröhlt und ist ein Song mal zu schlecht, wird er geradewegs durch ein FC Thun-Lied übertönt. Das dabei ausgerechnet dann "Stand up if you hate Young Boys", als ich auf dem Car-WC bin, ist etwas Pech.
Nach diversen Haltepausen, bei der zur Abwechslung privates Bier konsumiert wird, kehrt nach 3 Uhr und dem Erreichen von Österreich so etwas wie Nachtruhe ein. Inmitten der gemütlichen Bieratmosphäre penne ich direkt mal sieben Stunden.
Vormittags ist dann Tschechien noch nicht erreicht, aber die ersten trinkfesten Thuner stossen schon wieder mit Bier an. Mich beunruhigt derweil die Tatsache, dass es in Wien heftigst regnet. Doch Richtung Grenze ist schon wieder schwüles und trockenes Wetter. Nur: wo ist denn die richtige Grenze? Am ersten Übergang werden wird recht forsch abgewiesen, Gefährten über 3,5 Tonnen wird hier kein Durchgang gewährt. So nehmen wir halt mal einen Umweg von etwa 50 Kilometern in Kauf. An dieem zweiten Grenzübergang interessiert man sich nun tatsächlich für uns. Ein rauhbeiniger Tschechenpolizist mit geladener Waffe am Gürtel steigt zu uns hinein und kontrolliert ein paar der Pässe. Auch meinen blättert er ausführlich durch und lässt mich gewähren. Doch den Grenzübertritt schaffen wir erst, als einer der Grenzbeamten mit Andys FC Thun-Hut bestochen wird. "Souvenir, schalalala, Souvenir..."
Das Städtchen Breclav, Brno spielt ja wegen Stadionumbau auch irgendwie auswärts, finden wir dann recht schnell. Das Stadion hingegen bleibt für uns Thuner ganz traditionsgemäss nur schwer auffindbar. Mehrmals steigt East Ender auf, fragt nach dem Weg, um nach nur wenigen Minuten ergebnisloser Weiterfahrt wieder aussteigen zu müssen. So sehen wir die Kirche, das Spital oder ein anderes Stadion, doch den echten UI-Cup-Tempel finden wir erst dank einer Polizeieskorte.
Um 14.30 steigen wir dann endlich aus dem Car, wobei uns der Platzanweiser mehrmals mit freundlichem Schwanzkratzer begrüsst. Andere Länder, andere Sitten.
In einem nahen Restaurant, dass in einem leider gerade geschlossenen Eishockeystadion liegt, bestellen wir munter die halbe Karte. Ein Menu kostet hier zwischen 75 und 100 Kronen, ein 11-prozentiges Bier im Halbliterglas kostet 15 Kronen. Dabei sind 100 Kronen doch etwa fünf Franken wert. Entsprechend Freunde haben wir am Preis-Leistungsverhältnis, man isst doch sehr gut! Und auch der Kellner hat Freude, weil viel Trinkgeld bekommt. Ein Thuner rundet beispielsweise seine Rechnung von knapp 100 Kronen auf 200 Kronen auf. Was will man denn schon mit diesem Spielgeld.
Der Eintritt ins Stadion kostet 40 respektive 60 Kronen, wobei wir uns erst für die teuren Plätze entscheiden. Doch als die Tribüne etwas gar noch über dem Spielfeld ist, begeben wir uns dann doch an den eigentlich für uns vorgesehenen, eingezäunten Auswärtssektor. Von Hannes Imboden lassen wir uns über die Stadionvorschriften informieren. Fahnenstangen sind nicht erlaubt, ausser wenn sie von Tschechischen Hooligans hineingetragen werden. Bier gibt es wegen den Uefavorschriften nicht. Und das Sicherheitsaufgebot ist wegen den nicht immer ganz lieben Tschechen sehr gross. Alleine auf uns passen rund 20 Polizisten auf.
Schliesslich beginnt um 18.00, 20 Stunden nach unserer Abfahrt in Thun, das Spiel. Bei den Thunern steht Coltorti im Tor, Kobel fehlt wegen einem Krankheitsfall in seiner Familie ebenso wie der angeblich verletzte Deumi. Zwei Tore müssen nun her bei Thun, um die Runde 3 gegen Guingamp zu erreichen. Und die Thuner greifen auch schnell mal an, geraten jedoch auch schnell einmal in einen Konter. Es sind zehn Minuten gespielt, als es vor Colltorti erstmals gefährlich ist. Und - Tor! Brno fühlt 1-0, die Tschechen feiern, wir Thun begraben schon fast alle unsere Frankreichhoffnungen.
Angefeuert wird weiter, doch werden unsere Stimmen wegen dem fehlenden Bier schnell mal heiser. Da ist es fast gut, dass der schwach pfeifende Schiri mit seinen dummen Pfiffen immer Anheizer für uns ist. Die Thuner derweil kämpfen unglücklich, Chancen gibt es fast keine, Offsidepfiffe (eben auch unberechtigte) gibt es umso mehr.
In der Pause zeigt sich die Wirksamkeit des tschechischen Sicherheitskonzept, als sich drei Hooligans von hinten an unseren Sektor anschleichen und einen Teil unserer Fahnen runterreissen. Wenigstens werden die fetten, galtzköpfigen Rauhbeine schnell mal abgeführt.
In Halbzeit Zwei kommt unter anderem Renfer. Doch er scheidet nach einem Foul nach etwa zehn Minuten Einsatz bereits wieder aus. Aus-Auswechselspieler ist nun Raimondi, ein neuer Mann mit viel Wert. Er ist es nämlich, der die leider äusserst sichere Brnoabwehr in der 61. Minute endlich bezwingen kann. 1-1! "Autor: Raimondi" steht aus diesem Anlass an der Anzeigetafel, na ja.
Nun scheint ein Triumph wieder etwas wahrscheinlicher, zumal die Thuner nun Angriff um Angriff starten und dabei kaum mehr Offside stehen. Doch die Bälle landen einfach nicht im Tor! So bleibts beim 1-1, wir feiern die Mannschaft trotzdem.
Damit nun alles friedlich bleibt, dürfen wir Thuner das Stadion erst verlassen, als alle die schlimmsten Tschechen weg sind. Wir lernen derweil noch zweierlei einheimische Fans kennen. Da sind liebe Jungs, die sich gar mit uns fotografieren lassen wollen. Ein paar dumme Hools provozieren dagegen mit Vogelzeichen und einer rennt gar an uns vorbei in unseren Car hinein und klaut einen FC Thun-Hut. "Souvenir, schalalala, Souvenir..."
Die Stimmung ist trotzdem gut, nicht zuletzt dank zwei netten Besuchen. Rama macht vor der Abfahrt mit jedem von uns Handshaking und scherzt und lacht. Und Latour steigt wenig später gar zu uns in den Car ein und hält eine seiner Kultreden: "Es isch toll, sit dir hie. I ha ir Pouse ir Kabine vo euch gredt. I ha gseit: Hei Giele, itz si die Fans äxtra wäg öich uf Tschechie cho, da müesst dir no mau aus versueche. Mir hei wenigstens nid wöue verliere."
Um 20.20 geht die Reise dann wieder los Richtung Österreichische Grenze. In einem Zollfrei-Shop decken sich unsere Raucher noch stangenweise mit Zigaretten ein. Nur sind sie irgendwie nun zu müde, überhaupt noch zu rauchen. In St. Pölten schleicht eine fröstelnde Sybille zwar noch rauchend in ihrem Shirt herum, bei späteren Rauchpausen wird nun noch von den Chauffeuren Kaffee getrunken, während wir Fans ganz brav drinnen bleiben.
Für Aufregung sorgt bei der Rückfahrt höchstens noch der Eddie Murphy-Nick Nolte-Film "Nur 48 Stunden". Mitzu springt da plötzlich auf, als Bremsen quietschen. Aber dabei stammt der Krach doch vom Film und nicht von Wiens Hauptstrasse, die wir gerade durchfahren. Wien ist übrigens sehr schön, ich bewundere vor allem die grossen Plätze und die grossräumige Architektur. Aufmerksam ist auch Sybille: "Da hats aber schon viele Cabarets!" In Wien könnte es mir echt gefallen...
Am Morgen kommt dann das Bernbiet mit jeder Tafel näher, um 10.40 schliesslich halten wir wieder vor dem schönen Lachenstadion. Und was würden wir da singen, wären wir nicht vor Müdigkeit und vielleicht auch noch etwas vom Bier am Schwanken:
"Mir si vo Thun, das liegt ar Aare, mir si vo Thun, das liegt ar Aare, mit Lüdi Car da wöi mir fahre, mit Lüdi Car da wöi mir fahre..."

Matthias Engel