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Thun - FCZ 1-2
18.05.2003NLA Finalrunde 2002/2003


Am Samstag abend diskutiere ich am Rande eines Marsches gegen Rechts mit einem Thuner Tagblatt-Fotografen. Dieser ärgert sich lautstark über die Tatsache, dass bei Demos von den Linken immer wieder Schaufenster eingeschlagen werden. Keine Frage, dass ich seinen Ärger teile. Aber ich prangere seinen "wir berichten über jedes zerschlagene Schaufenster"-Journalismus an. Ich nenne ein Gegenbeispiel: "Ich erlebe praktisch an jedem Wochenende an einem Fussballmatch Zwischenfälle. Aber über so was lese ich dann nirgends etwas." Der Fotograf spottet mich nur aus: "Du musst halt die richtige Zeitung lesen!" Nachdem ich heute Sonntag am Match Thun-FCZ war, werde ich das montägliche Thuner Tagblatt ganz genau lesen...

Der Fussballnachmittag beginnt äusserst sonderbar. Ausgerechnet eine Guggenmusik in gelb-schwarzen Kostümen versucht uns auf den Match einzustimmen. Keine Frage, ernten die Thuner Seehüler in ihrem Outfit von uns eine ordentliche Portion Spott. Eine kleine Versöhnung wird es dadurch möglich, dass sie Babo ein Geburtstagsständchen spielen. Somit wissen wir nun: Auch Bosnier feiern Geburtstag.
Schliesslich ist die Stunde der Fasnachtsmusiker endlich vorüber, die Zeit der Fussballer kündigt sich an. Und dies vor einer überaus ansprechenden Kulisse, nicht zuletzt dank Gratiseintritt haben 5200 Fussballbegeisterte den Weg ins Stadion gefunden, um die Thuner anzufeuern. Richtiges Feuer gibt es in der FCZ-Fankurve, ein paar Blödiane versuchen auf sich aufmerksam zu machen. Die Security reagiert nicht.
Das Spiel beginnt. Nicht dabei sind die gesperrten Cerrone, Yao und Rama; wertvolle Spieler, deren Fehlen man sofort merkt. Der FCZ beginnt stärker als Thun, hat aber Probleme mit der Thuner Offsidefalle. Die Zürcher dominieren die erste Halbzeit gewiss, aber ohne Resultat. Auf der anderen Seite dagegen haben wir Streller, der sich oftmals frei läuft und beherzt abdrückt. Schnell einmal wird sein Einsatz belohnt, sein erster richtiger Torschuss sitzt. 1-0 für Thun.
In der Pause konzentriere ich mich vor allem auf mein Handyradio. Minutenlang versuche ich herauszufinden, wie es eigentlich beim Handballmatch Pfadi-Wacker steht. Bei einem Thuner Sieg gäbe es ja an diesem Abend noch eine Meisterfeier. Doch meine Freude ist verfrüht, zwischen viel Radiorausch höre ich einen 26-24-Sieg der Pfadijungs heraus. Was für eine Negativmeldung. Sascha dagegen jubelt. Er ist wohl vor allem eine Wintifanclublegende.
Halbzeit Zwei bringt einige Aufreger, wie beispielsweise eine vermeintliche Penaltyszene im FCZ-Strafraum kurz nach der Pause. Hat Fischer wirklich ein böses Foul begangen? Gelb-rot sieht er auf alle Fälle, was wiederum Reto nicht sieht. "Es hat gar keine rote Karte gegeben!" behauptet unser Fanclubpräsident immer wieder. Da fordere ich ihn doch geradewegs auf, einmal die FCZ-Spieler auf dem Rasen zu zählen. Erst nach dreimaligem Zählen glaubt er mir. Renfer nimmt derweil Anlauf zum Penalty - und schiesst König an! Es bleibt beim 1-0.
Ein verhägnisvoller Patzer, trotz der nun erlangten Überzahl. Denn eine Viertelstunde später rennt Keita alleine aufs Thuner Tor, Deumi kann ihn nur noch durch ein Notbremsefoul stoppen. Die Folge sind eine Rote Karte und ein Freistoss. Immerhin endet der Freistoss nicht in einem Tor.
Bevor die 75. Minute beginnt, studieren einige Thunfans anlässlich der YB-Viertelstunde eine Choreo ein und sitzen deshalb ab. Als es noch vier Sekunden bis zum Chreobeginn sind, schiesst Guerrero zum 1-1 ein. Die meisten Fanclubmitglieder habens nicht gesehen.
Nun sucht der FCZ verbissen den Sieg, die Thuner setzten derweil ganz auf Defensive. Doch können sie das Unentschieden wirklich halten?
Manch gute Chance haben die Zürcher nun, selbst in der Nachspielzeit glauben sie noch an ihre Chance. Und tatsächlich: In der 91. Minute trifft zu allem Thuner Übel Quentin zum 1-2. Und nun passierts: FCZ-Hooligans (das Wort Fans kann ich in einem solchen Zusammenhang einfach nicht begreifen) stürmen auf die Laufbahn. Ständen da nicht Securityleute, würden die Zürcher Idioten wohl sogar das Spielfeld betreten. Schliesslicgh pfeift der Schiri ab, nach einem kurzen Bedanken der Thuner Spieler verschwindet die Mannschaft in der Garderobe. Die Zürcher Fans dagegen ziehen nicht ab, vielmehr drängen sie immer mehr in die Richtung des Thuner Sektors. Scheinbar problemlos können sie sich in unsere Stadionhälfte vordrängen. Teilweise sind diese Arschlöcher vermummt und ganz schön bereit zu Gewalt. Erst fliegen Petflaschen und Steine in unsere Richtung, dann springen sogar einige FCZT-Hools über die Hecke mitten in uns hinein. Chaotische Szenen folgen, Menschen fliehen, teilweise über Zäune. Fans werden verletzt - durch Schläge, durch Hiebe mit Fahnenstangen, durch Steine. Die Security ist nicht direkt untätig, aber ganz gewiss überfordert. Minutenlang geht dieses Spiel, bis sich die Zürcher Arschlöcher endlich zurückziehen. Zurück bleiben frustrierte Fans, aber auch eine frustrierte Vereinsleitung. Hut ab vor dem FC Thun-Präsidenten Kurt Weder, der die ganze Zeit mitten im Geschehen ist und uns zu beruhigen versucht. Doch noch sind die Emotionen hoch, selbst mein Vater diskutiert lauthals mit einem Securitymann über Sinn und Unsinn einer Plauschsecurity.

Wie gesagt, am Montag werde ich ganz genau das Thuner Tagblatt lesen. Werde ich nur aggressive Zeilen über eingeschlagene Schaufenster lesen oder werden auch die weitaus schlimmeren FCZ-Kravalle (hier handelt es sich um Gewalt gegen Menschen!) erwähnt sein? Ich bin gespannt...

Matthias Engel